Droht der dritte Winter in Folge, an dem Patientinnen und Patienten um ihre Medikamente bangen müssen? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht nicht davon aus, denn er sei die Sache direkt nach seinem Amtsantritt angegangen. Und ein neues Pharmagesetz werde noch in diesem Monat kommen, kündigte er im ZDF-Talk „Markus Lanz“ an.
„Als ich ins Amt gekommen bin, habe ich mich unmittelbar um das Thema Engpässe gekümmert“, behauptete Lauterbach in der Sendung. In der Vergangenheit habe man die Versorgung regelrecht abgeschnürt: „Das ist wie beim Discounter, wir haben die Preise gedrückt bis zum Gehtnichtmehr.“
Eine kurzfristige Lösung sehe vor, dass diejenigen Hersteller, die einen Rabattvertrag haben, Ware für sechs Monate bevorraten müssen. Das sei womöglich nicht immer einfach, aber die Ware sei nicht überall gleich knapp: „Im Ausland wurde teilweise mehr bezahlt, sodass Ware in Deutschland zuerst abgezogen wurden.“
Mit den höheren Preisen könne man Anreize schaffen, dass Ware umgeleitet werde. Ein ethisches Problem sieht er nicht: „Wir wurden zum Teil schlechter bedient als andere Länder, in denen höhere Preise bezahlt wurden. Das kann ich als Gesundheitsminister nicht zulassen oder akzeptieren.“ Man müsse „schnell ins Spiel zurückkommen, wenn wir innerhalb Europas nicht die Dümmsten sein wollen.“
Lauterbach wies auch darauf hin, dass er den Bundesländern die Erlaubnis gegeben habe, selbst Arzneimittel im Ausland einzukaufen. Bayerns damaliger Gesundheitsminister Klaus Holetschek habe dies öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht, „andere haben das nicht an große Glocke gehängt“.
Langfristig werde man die Produktion zurückholen: „Wenn Sie dann einen Vertrag mit einer Kasse schließen wollen, müssen Sie nachweisen, dass Sie zu 50 Prozent in Europa produzieren.“ Vorerst würden die „alten schlechten Rabattverträge“ noch gelten, denn diese könne er nicht außer Kraft setzen. Das Problem sei aber lösbar: „Wir bekommen die Wirkstoffherstellung und Feinchemie zurück, das wird einfacher als gedacht.“
Ein Thema, das leider verschoben worden sei, werde man nun angehen: Ende des Monats werde man im Kanzleramt über die Pharmastrategie diskutieren. „Das ist ein wichtiges Thema für den Bundeskanzler. Das Konzept wird noch im Dezember vorgestellt.“ Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass man nicht am Thema arbeiten würde. „Es gibt hier keinen Müßiggang.“
Lauterbachs Versprechen für die anstehende Saison: „Wir werden die Engpässe in den Griff bekommen, bei Kinderarzneimitteln wird es ein besserer Winter als letztes Jahr.“ Er wies darauf hin, dass man die Produktion deutlich gesteigert habe, Partner in Tschechien und hierzulande produzierten rund um die Uhr nur für den deutschen Markt – nur an Heiligabend und am 1. Januar werde nicht gearbeitet. „Dafür habe ich der Belegschaft meine Anerkennung ausgesprochen und dem Geschäftsführer gedankt.“ Zudem habe er das Thema im Ministerium zur Chefsache gemacht und bekomme die Ergebnisse des regelmäßigen Austauschs von seinem Abteilungsleiter ohne Zwischenstation.
Und dann bekamen die Zuschauer noch einen Eindruck, wie es um Lauterbachs Beziehung zu den Verbändevertretern bestellt ist. Er habe immer ein gutes Verhältnis gepflegt, behauptete Lauterbach. Lanz fragte bei Dr. Kai Joachimsen nach, ob das stimme und wie oft es Treffen gegeben habe. Diplomatische Antwort: Man sei einige Male im BMG gewesen. Aber Berlin sei klein, man begegne dem Minister gelegentlich, auch dieses Zusammentreffen im Studio sei hilfreich.
Einen Termin mit dem Minister habe es gegeben: „Das dauerte ewig“, so Lauterbach. „Für uns war es eher zu kurz“, so Joachimsen. Wie lange? „So 19 Minuten.“ „Die Details spielen keine Rolle. Ich bekomme die Papiere vom Lobbyverband, ich höre die Argumente von Lobbygruppen genau und beschäftige mich damit.“
Er verbringe nicht viel Zeit mit den Verbändevertretern, sei aber kein Lobbyschreck. Lanz spielte einen Ausschnitt ein von der Sendung im Juni, in dem der Minister genau diese Formulierung gewählt hatte. „Da war ich noch nicht so lange dabei“, so Lauterbach schmunzelnd.
Und dann holte er noch zum Rundumschlag aus: Im deutschen Gesundheitswesen sei die Qualität nicht da. „Wir haben mit Abstand das teuerste System, sind aber nur mittelmäßig.“ Als Indikator nannte er die Alterserwartung, bei der man hinter Ländern wie Spanien, Italien oder Schweden liege. „Das heißt: Unser System ist super teuer, aber extrem ineffizient.“ Das gehe er „mit großem Ehrgeiz“ an, auch gegen Widerstände. So habe er das Transparenzgesetz gegen die Länder durchgebracht, da es nicht zustimmungspflichtig gewesen sei. Mit Kleinklein halte er sich nicht auf.
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