Gesundheitsökonom

„OTC-Medikamente brauchen keine Beratung“

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Berlin -

Griechenland soll seinen Apothekenmarkt liberalisieren, so fordern es die europäischen Institutionen von dem pleitebedrohten Mitgliedsstaat. Und wie immer, wenn anderswo die Besitzbeschränkungen für Apotheken oder die Apothekenpflicht bestimmter Arzneimittel zur Diskussion stehen, melden sich hierzulande Ökonomen zu Wort, die dasselbe für Deutschland fordern. Diesmal ist es Professor Dr. Christian Hagist im Manager Magazin.

Hagist ist Professor für Generationen-übergreifende Wirtschaftspolitik an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz. Das Angebot seines Lehrstuhls ergänzt laut Beschreibung „die volkswirtschaftliche Ausbildung an der WHU punktuell um den Aspekt der Nachhaltigkeit“. Hagist beschäftigt sich in der Forschung demnach mit der „fiskalischen Nachhaltigkeit politischer Reformen, insbesondere im Bereich der Gesundheitspolitik“.

Für das Manager Magazin schreibt er als „Meinungsmacher“. In seiner jüngsten Kolumne kommt er zu dem Schluss, dass die Vorgaben des Euro-Summit an Griechenland den Apothekenmarkt betreffend durchaus „Vorbildcharakter“ für andere Märkte haben könnten. Denn Fremdbesitzverbot und Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel sind aus Sicht des Ökonomen auch hierzulande nur noch überflüssige Privilegien, die abgeschafft gehören. Das Maßnahmenpaket für Griechenland klingt für Hagist daher „nach einem verfrühten Weihnachten für liberale Ökonomen“.

Zwar gesteht der liberale Ökonom zu, dass der Arzneimittelsektor kein rein liberalisierter Markt sein könne und eine gewisse Regulierung brauche. Aber nur, um dann hinzuzufügen: „Rezeptfreie Medikamente brauchen in einer Gesellschaft, welche zum überwiegenden Teil das Lesen und Schreiben beherrscht, keine über die Packungsbeilage hinaus gehende Beratung mehr.“

Mit einer Überdosis Paracetamol könne man sich natürlich „nahezu umbringen“, so Haugist weiter, das gelte aber auch für viele Sachen aus dem Baumarkt. Wenn Erwachsene OTCs in Super- und Drogeriemärkten kaufen könnten, sei das „keine gesellschaftliche Gefährdung, sondern schlicht ein Abbau von Privilegien“, ist der Ökonom überzeugt.

Dasselbe beim Fremdbesitzverbot: Alle Argumente zu dessen Verteidigung – Qualität der Beratung, Sicherstellung der Versorgung – laufen aus Sicht des Ökonomen ins Leere. Genauso wie seinerzeit in Norwegen beschwörten die griechischen Apotheker den Verlust ihrer Apothekenkultur: Apothekenketten seien lieblos und würden nicht die nötige Zeit für die persönliche Beratung einräumen, so das Argument, das man als Marktwirtschaftler leicht entkräften könne, so Hagist. „Wenn den Kunden das Schwätzchen/der Plausch mit dem Apotheker (oder meist der pharmazeutisch-technischen Assistentin) so wertvoll ist, dann müssen sie das eben in höheren Preisen mitbezahlen.“

Auch das Argument, der ländliche Raum würde bei einer Marktkonzentration nicht mehr ausreichend versorgt, schlage fehl: „Erstens gibt es keinerlei Versorgungsanspruch des ländlichen Raums auf Güter aller Art (auch Bäcker und Supermärkte sind in gewisser Weise bis 2500 Kilokalorien pro Tag Gesundheitsdienstleister), und zweitens, sofern man eine gewisse Apothekendichte im ländlichen Raum haben möchte, ist dies Aufgabe der jeweiligen Gebietskörperschaft (und damit des lokalen Steuerzahlers und nicht aller nationalen Kunden).“

Die deutsche Situation ist laut Hagist „fast deckungsgleich mit der griechischen“. Umso schmerzlicher vermisst er hierzulande den politischen Willen für eine Liberalisierung. „Im Gegenteil: Als im Jahr 2009 der Europäische Gerichtshof in einer umstrittenen Entscheidung das Mehrbesitzverbot in Deutschland für rechtens erklärte, stimmte der damalige FDP-Gesundheitsminister Bahr dem Urteil ausdrücklich zu“, so Hagist.

Nun hat der EuGH damals über das Fremdbesitzverbot geurteilt, genau genommen über die Betriebserlaubnis für eine einzige Apotheke der Kapitalgesellschaft DocMorris. Und Bundesgesundheitsministerin war seinerzeit Ulla Schmidt (SPD). Zwischen ihr und Bahr war sogar noch Philipp Rösler (FDP) Chef im BMG. Trotz dieses freizügigen Umgangs mit den Tatsachen gib sich Hagist überzeugt, dass sich bei den Liberalen mittlerweile eine andere Lesart durchgesetzt haben dürfte. Belege dafür legt er im Beitrag allerdings nicht vor.

Aus Sicht des Ökonomen wäre das Apothekenwesen jedenfalls „prädestiniert, der in Gesundheitsfragen marktskeptischen deutschen Bevölkerung ihre Vorurteile zu nehmen“. Auch wenn derartige Deregulierungen im Ausland nicht immer zu Kostensenkungen geführt hätten – Ordnungsökonomen gehe es gar nicht so sehr um Kostensenkungen, „sondern um eine bessere Faktorallokation“. Warum größere Einheiten nun ausgerechnet auf dem deutschen Apothekenmarkt die Versorgung verbessern oder wenigsten doch zu Einsparungen führen sollten, erklärt Hagist nicht.

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