Gesundheitskiosk: „Wir schließen eine riesige Lücke“ Sandra Piontek, 10.05.2024 08:00 Uhr
Gesundheitskioske sollen einen niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen. Die hohe Inanspruchnahme des Aachener Kiosks zeigt den Bedarf nach Angaben der Betreiber deutlich. Aber: Die Bundesregierung hat sich gegen eine Förderung des Hilfsangebots ausgesprochen und Gesundheitskioske aus dem Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) gestrichen. Das Projekt geht trotzdem weiter. Denn: „Die Menschen brauchen unsere Unterstützung. Die Zusammenarbeit mit Apotheken und Arztpraxen funktioniert dabei wie ein ineinandergreifendes System. Wir sind keine Konkurrenten“, so Leiterin Andrea Klebingat.
Der Gesundheitskiosk in Aachen bleibt trotz gestrichener Förderung durch die Bundesregierung bestehen. Die Entscheidung zur Streichung aus dem GVSG kam für das achtköpfige Team sehr überraschend: „Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass die Politik dem Förderbedarf zustimmt. Das war ein sehr enttäuschender Tag für uns“, so Klebingat zum Wegfall der politischen Unterstützung. „Den Hintergrund, warum die Unterstützung aus dem Referentenentwurf gestrichen wurde, verstehen wir nicht.“
Der hohe Bedarf in der Region hat den Entscheidungsträger:innen deutlich gemacht: „Wir schließen mit unserem Angebot eine große Lücke, viele Menschen brauchen uns und sind dringend auf unsere Hilfe in gesundheitlichen und sozialen Lebenslagen angewiesen“, so Klebingat.
Der Kiosk besteht schon seit dem 1. April 2022: „Wir sind die zentrale Schnittstelle zwischen den Bereichen Gesundheit und Soziales, das Angebot konnte sich in der Region Aachen aufgrund des großen Netzwerkes bereits sehr gut etablieren“, so die Leiterin.
Angesiedelt beim gemeinnützigen Trägergesellschaft „SPRUNGbrett“ sind die wichtigsten Kooperationspartner für den Kiosk die AOK Rheinland/Hamburg und die Städteregion Aachen: „Beide werden den bereits eingeschlagenen Weg mit uns weitergehen, dies war bereits am Abend der politischen Entscheidung klar.“
„Wir helfen allen Bedürftigen“
Dabei verfolge man nach wie vor ein großes Gesamtziel: „Die Gesundheit muss für jeden erreichbar sein“, so Klebingat. „Es ist wichtig, dass dies transparent auch in der Öffentlichkeit besprochen wird.“
Seit Eröffnung konnte man so in etwa 3000 Belangen weiterhelfen. Dabei kommen Bedürftige aus ganz unterschiedlichen Bereichen in den Kiosk: „Das Einzugsgebiet unserer Region umfasst 560.000 Einwohnern. Natürlich sind nicht alle bedürftig. Unser Angebot spricht insbesondere Menschen an, die sozial benachteiligt sind sowie vulnerablen Bevölkerungsgruppen angehören“, so die Leiterin. Diese Menschen haben Sprachbarrieren oder kennen sich im Gesundheitssystem nicht oder nur sehr wenig aus, so Klebingat.
Insbesondere Frauen mittleren Alters würden das Angebot vermehrt wahrnehmen: „Diese sind zwischen 35 und 65 Jahren alt und oft vielfach belastet durch einen alleinerziehenden Status. Da sie sich um Beruf und Kinder kümmern, kommt die eigene Gesundheit schnell zu kurz“, so die Leiterin. Hier docke der Gesundheitskiosk direkt an: „Diesen Menschen können wir mit den Fachkompetenzen unserer Gesundheitsberaterinnen weiterhelfen.“ Diese bringen berufliche Ausbildungen beispielsweise als Arzthelferin oder Krankenpflegerin mit und haben Zusatzqualifikationen (Master und Bachelorstudium in Soziologie, Medizinpädagogik, Rehabilitationspsychologie) sowie Case Management Weiterbildungen, so Klebingat.
Da diese mehrsprachig seien, könne auch die Sprachbarriere leicht überwunden werden. Klebingat macht deutlich: „Der Gesundheitskiosk führt aber keine Behandlungen durch, wir sind ein rein beratendes Angebot.“ Momentan könne das Team mit Bedürftigen auf Arabisch, Persisch, Türkisch, Russisch, Englisch und Französisch sowie Kurdisch und Polnisch sprechen.
„Wir sind keine Konkurrenz“
Neben den vielen positiven Rückmeldungen erreiche sie auch die eine oder andere kritische Stimme, so Klebingat. „Wir seien eine Parallelstruktur zu anderen Gesundheitseinrichtungen, aber das kann ich verneinen. Es ist eher wie ein ineinandergreifendes System. Wir arbeiten mit Apotheken und Arztpraxen zusammen, nicht gegen sie. Wir sind keine Konkurrenz, sondern eine Unterstützung“, so Klebingat.
Tauchen beispielsweise im Erstgespräch Hinweise auf eine Polymedikation auf, sei man im engen Kontakt mit den Apotheken und könne die Klienten dorthin verweisen. Deswegen: „Wir sind gesellschaftlich relevant, das muss auch bei der Politik ankommen“, fordert sie.
Die Aufgaben im Kiosk seien umfassend: „Wir helfen Anträge auszufüllen oder Dokumente zu verstehen. Manche kommen zu uns, wenn sie beispielsweise einen Schwerbehindertenausweis brauchen. Wir helfen auch vorbereitend auf anstehende Untersuchungen, wenn Verständnisprobleme bestehen. Wir entlasten also die anderen Gesundheitseinrichtungen“, so Klebingat.
Denn: „Solche erklärenden Gespräche nehmen sehr viel Zeit in Anspruch, da hat manch Hausarzt keine Kapazitäten.“ Dabei bestehe auch die Möglichkeit, mit einem eigenen Gesundheitsbus zu den Menschen hinzufahren, um ihnen mobilen Gesundheitsservice vor der Haustür anzubieten.