Zyto-Anhörung: Kreuzverhör mit Fritz Becker Lothar Klein, 14.10.2016 10:47 Uhr
In einer Art Kreuzverhör wird der Gesundheitsausschuss am kommenden Mittwoch nur fünf Experten zur Problematik der Zyto-Ausschreibungen der Krankenkassen befragen. Für den Deutschen Apothekerverband ist Fritz Becker persönlich eingeladen. Das nichtöffentliche Expertengespräch zur Ausschreibung von Zytostatika ist am 19. Oktober angesetzt. Der Gesundheitsausschuss will mehr über die Risiken und Nebenwirkungen der Zyto-Ausschreibungen erfahren, bevor er in die Beratung des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) einsteigt.
Neben DAV-Chef Becker sind ebenfalls persönlich Martin Litsch vom AOK-Bundesverband, Prof. Dr. Stephan Schmitz vom Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e. V. (BNHO), Dr. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband und Dr. Johannes Thormählen, Vorstand der GWQ ServicePlus AG eingeladen. Die Sitzung des Gesundheitsausschusses ist auf maximal dreieinhalb Stunden angesetzt.
Mit dem AM-VSG will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf Drängen von Apothekern, Ärzten und Krankenhäusern Zyto-Ausschreibungen verbieten. Im Kabinettsentwurf ist daher unter anderem die „Abschaffung der Exklusivverträge mit Apotheken bei der Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten und an deren Stelle die Stärkung der Hilfstaxe und die Einführung der Möglichkeit des Abschlusses von Rabattverträgen mit pharmazeutischen Herstellern“ vorgesehen. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes wird zudem die freie Apothekenwahl für Zyto-Verträge ausdrücklich garantiert.
Die Möglichkeit der Kassen, exklusive Zyto-Verträge mit Apotheken abzuschließen, wird „gestrichen“, heißt im Entwurf. „Die Ergänzung dient der Klarstellung der Geltung der Apothekenwahlfreiheit der Versicherten.“ Auch bereits geschlossene Zyto-Verträge der Kassen verlieren ihre exklusive Gültigkeit. Die Versorgung werde „trotz geschlossener Verträge“ nicht mehr ausschließlich durch die Apotheken sichergestellt, mit denen die jeweilige Kasse einen Vertrag bis „zur Verkündung dieses Gesetzes“ geschlossen hat. „Vielmehr können auch andere Apotheken Vergütungsansprüche gegenüber der jeweiligen Krankenkasse geltend machen“, wenn sie die Versorgung mit Zytostatika für Patienten dieser Kasse vorgenommen haben, so der Entwurf.
Zuvor war der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit seinem 150 Millionen Euro Ablasshandel-Angebot bei den Krankenkassen abgeblitzt, um die Zyto-Ausschreibungen aus der Welt zu schaffen. Allerdings hat der gemeinsame Protest von Apothekern, Ärzten und Krankenhäusern bei der Politik seine Wirkung nicht verfehlt. Als Reaktion auf die gemeinsame Initiative gegen Zyto-Ausschreibungen des DAV und sieben weiterer Fachverbände hatte CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich als erster Rabattverträge ins Gespräch gebracht: „Wir wollen, dass die Kassen in Zukunft direkt Rabattverträge mit den Zytostatika-Herstellern schließen und die Apotheken verpflichtet werden, nur Produkte mit Rabattvertrag einzusetzen“, schlug Hennrich vor. „Damit erhalten wir die Wahlfreiheit der Apotheke und legen gleichzeitig den grauen Markt um Zytostatika trocken.“
Barmer GEK, TK und KKH haben bereits heftig gegen die Verbots-Pläne von Gröhe protestiert: Barmer-Chef Dr. Christoph Straub sieht das kritisch. Er ist vom Konzept der Ausschreibung überzeugt: „Wer den Krankenkassen die Möglichkeit nimmt, mit Apotheken exklusive Verträge zur individuellen Versorgung Krebskranker mit Zytostatika abzuschließen, verhindert Qualitätsverbesserungen in diesem sensiblen Versorgungsbereich.“ Zusammen mit anderen großen Ersatzkassen hatte die Barmer vor wenigen Tagen ihre Ausschreibung gestartet.
Nach eigenen Angaben zahlt die Barmer derzeit jährlich rund 400 Millionen Euro für Zytostatika. Einsparungen von bis zu 20 Prozent hält Straub in diesem Bereich für möglich – bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität. So müsse eine Apotheke beispielsweise innerhalb von maximal zwei Stunden nach Eingang einer Anforderung das Arzneimittel liefern.
Dass die Politik die freie Wahl der Apotheke wieder herstellen möchte, hält man bei der Barmer für ein Scheinargument: Die Apothekenwahl liege auch ohne Ausschreibungen gar nicht beim Patienten, sondern ausschließlich beim behandelnden Arzt, so Straub. Zudem habe nur ein Prozent der Apotheken in Deutschland eine Berechtigung zur Herstellung von Zytostatika.
Trotz der berichteten Probleme aus der Praxis und der gemeinsamen Warnung von Apotheker- und Ärzteverbänden will man die Risiken der Ausschreibungen bei der Barmer nicht sehen: „Es gibt gute Gründe für Ausschreibungen in diesem Versorgungsbereich. Sie laufen alle darauf hinaus, die Versorgung Krebskranker besser zu machen“, so Straub. Danach steht das parlamentarische Verfahren an. Noch ist also nichts entschieden.