Apothekenverträge im Bundestag APOTHEKE ADHOC, 28.09.2016 14:51 Uhr
Zuletzt ist der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit seinem 150 Millionen Euro Ablasshandel-Angebot bei den Krankenkassen abgeblitzt, die Zyto-Ausschreibungen aus der Welt zu schaffen. Allerdings hat der gemeinsame Protest von Apothekern, Ärzten und Krankenhäusern bei der Politik doch Spuren hinterlassen. Die Gesundheitspolitiker der Großen Koalition wollen sich jetzt mit dem Thema befassen und dem Streit nachgehen. Für den 19. Oktober haben sie zu einer Expertenrunde geladen. Ob daraus eine Gesetzesinitiative entsteht, ist völlig offen.
Als Reaktion auf die gemeinsame Initiative gegen Zyto-Ausschreibungen des DAV und sieben weiterer Fachverbände hatte CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich als erster Rabattverträge ins Gespräch gebracht: „Wir wollen, dass die Kassen in Zukunft direkt Rabattverträge mit den Zytostatika-Herstellern schließen und die Apotheken verpflichtet werden, nur Produkte mit Rabattvertrag einzusetzen“, schlug Hennrich vor. „Damit erhalten wir die Wahlfreiheit der Apotheke und legen gleichzeitig den grauen Markt um Zytostatika trocken.“ Auf Interesse ist Hennrich mit dieser Idee auch beim Koalitionspartner SPD gestoßen.
Zunächst soll jetzt aber eine Experten-Anhörung etwas mehr Klarheit in die verwirrende Vielfalt der Argumente von Befürwortern und Gegnern bringen. Die Liste der zur Expertenrunde des Gesundheitsausschusses geladenen Gäste ist noch nicht erstellt. Neben den Kassen, dem Verband der Zytostatika herstellenden Apotheken (VZA) und dem DAV dürften aber Arzneimittelexperten und Onkologen eingeladen werden.
Offen ist, ob daraus eine Gesetzesinitiative entsteht. Bislang hat sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht zu einem Verbot der Ausschreibungen durchgerungen. Allerdings hatte das BMG zuletzt auf Nachfrage auf den Willen des Gesetzgebers hingewiesen, wonach auch Krebspatienten das Recht auf freie Wahl einer Apotheke haben: „Das BMG setzt sich nachdrücklich für eine wohnortnahe Versorgung, faire Wettbewerbsbedingungen und die Stärkung mittelständischer Strukturen in der Zytostatikaversorgung aufbauend auf der derzeitigen Sicherstellung durch Zytostatika herstellende öffentliche Apotheken, die sich gegebenenfalls Herstellbetriebe und Krankenhausapotheken bedienen, ein.“ In Frage stellen wollte das BMG die Zyto-Ausschrebungen bislang aber auch nicht: „Ausschreibungen sind ein Anreiz für die Vertragsparteien zur wirtschaftlichen Versorgung.“
Derweil befeuern Kassen und Ausschreibungsgegner die Diskussion: In einer Untersuchung kam der Kassen-Dienstleister GWQ anhand von Abrechnungsdaten zu dem Ergebnis, dass auch ohne zentrale Ausschreibung durch die Kassen es in nicht wenigen Fällen bei der Zyto-Versorgung zu langen Wegen kommt. Viele Apotheken ließen ihre Sterilrezepturen ohnedies extern fertigen. In 13 Prozent aller belieferten Rezepturen lag die Entfernung danach über 40 Kilometer, „was regelhaft zu Belieferungen von über einer Stunde führt“, so GWQ. In 4 Prozent der Fälle lagen Apotheken und Praxis sogar mehr als 100 Kilometer auseinander.
Auch der AOK Bundesverband präsentierte eine umfassendes „Dossier“ zu den Zyto-Ausschrebungen und kommt darin wenig überraschend zu dem Fazit: „Die Regeln der AOK-Ausschreibungen sichern ein höheres Qualitäts- und Versorgungsniveau bei Zytostatika-Zubereitungen als in der Regelversorgung.“
Dagegen stellte jetzt der VZA ein umfassendes „Positionspapier“: „Die Veröffentlichung 'Zytostatika-Ausschreibung: Mär und Wirklichkeit' des AOK-Bundesverbands weist viele gravierende inhaltliche Fehler auf“, schreibt der VZA. Es sei bemerkenswert, dass der AOK-Bundesverband die massiven Bedenken aller am Versorgungsprozess Beteiligten ignoriere. Mit seinen wenig aussagekräftigen Daten und starken Fehlschlüssen habe er sich weit von der Versorgungswirklichkeit entfernt. Das sei sehr bedauerlich und werde der erforderlichen Ernsthaftigkeit im Umgang mit diesem sensiblen Thema nicht gerecht.