Wie umgehen mit dem Minister?

Gesucht: Ideen gegen Lauterbach

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Berlin -

Das Verhältnis der Apothekerschaft zu Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist nach den Reformandrohungen maximal zerrüttet – aber irgendwie muss es ja weitergehen. Bei der Zukunftskonferenz VISION.A sprachen sich zwei Standesvertreter dafür aus, eigene Vorschläge zu erarbeiten und damit in den Dialog zu gehen. Denn auch wenn Zweifel bleiben, gibt es keine Alternative.

Wenn Lauterbachs Reformideen umgesetzt würden, dann „wird es richtig scheiße“, brachte Berlins Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz ihre Wut auf den Punkt. Doch obwohl die Situation extrem verfahren sei, müsse man jetzt tief durchatmen und mit freiem Kopf an die Sache herangehen. Denn für sie sei die aktuelle Lage ein Déjà-vu: Schon 2003 hätten die Apotheken von der damaligen rot-grünen Regierung eine Liberalisierung vorgesetzt bekommen – und diese trotz Protesten und Unterschriftenaktionen nicht verhindern können. „Wenn wir den Konflikt diesmal nicht gelöst kriegen, wird es am Ende wieder nur Verlierer geben.“

Auch die Abda sei jetzt gefragt, sich mit den Plänen zu beschäftigen und eigene Vorschläge zu entwickeln. Sie hoffe, dass Lauterbach noch lernfähig sei – und sich von Evidenz und Nachweisen überzeugen lasse.

In keinem Fall dürfe die Politik weiter zusehen, wie man gerade kleine Apotheken verliere. Denn auch die würden dringend benötigt: „Wenn man krank ist, braucht man räumliche und soziale Nähe. Genau das leisten wir, wir dürfen dabei nur nicht so altbacken aussehen und müssen es der Politik noch irgendwie klarmachen können.“

Holger Seyfarth, Verbandschef aus Hessen, ist weniger zuversichtlich, was das Restmaß an Zugänglichkeit des Ministers angeht. Lauterbach fühle sich wohl in seiner Blase und sei wenig dialogbereit. Dennoch teilt auch er die Einschätzung, dass man sich von der Idee verabschieden muss, dass alles bleibt wie es ist. Die Apothekerschaft selbst müsse daher kreativer werden, um den Wandel mitzugestalten. Leider habe man bei der Politik zuletzt eher den Eindruck hinterlassen, dass man mit dem, was angeboten wurde, nichts anzufangen wusste – Stichwort pharmazeutische Dienstleistungen oder auch Cannabis.

Insbesondere zum Honorar müsse man sich dringend eigene Gedanken machen. Dazu habe es schon vor Jahren eine Arbeitsgruppe gegeben, deren Überlegungen müsse man jetzt überarbeiten und neu denken. Dann könne man auch selbstbewusst in die Gespräche gehen. „Ein 65-Milliarden-Euro-Markt sollte sich nicht von der Politik auf der Nase rumtanzen lassen.“

Proteste ja, aber auch Ideen suchen und in den Dialog gehen, so die einhellige Meinung.Foto: Mark Mattingly

Auch weitere Proteste müssten folgen, und zwar „schnell, unmittelbar und heftig“. Man dürfe auch über den Jahreswechsel nicht nachlassen, sondern müsse eher überlegen, ob man sich den Ärzten anschließe, da bei geschlossenen Praxen ohnehin kaum Rezepte kämen. Allerdings sieht er auch den Bedarf nach einer professionelleren Führung in der Standesvertretung – sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt.

Was die Light-Filialen angehe, so sei dies ein Angebot, nach dem keiner gefragt habe – und er glaube auch nicht, dass es, sollte es umgesetzt werden, sonderlich gefragt sein werde. Allerdings müsse man anerkennen, dass man die Versorgung in Zukunft nicht überall sichern könne – insbesondere dort, wo Ärzte wegfielen und auch sonst keine Infrastruktur mehr vorhanden sei, lasse sich auch keine Apotheke betreiben.

Seine Antwort auf die demografische Entwicklung wären aber keine abgespeckten Apotheken, sondern größere Betriebe, die mehr Leistung erbringen: „Da muss das Warenlager nicht 80.000 Euro, sondern eher 120.000 Euro umfassen. Da müssen alle Rezepturen hergestellt werden. Und da muss die Beratung mehr umfassen als den Hinweis, eine halbe Stunde Abstand zum Essen zu halten.“

Die Frage laute daher, welche Versorgung man sich leisten wolle und was diese dann wert sei. Wenn diese Rahmenbedingungen geklärt seien, könnte auch die Apothekerschaft selbst die Steuerung übernehmen – ähnlich wie die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bei den Arztpraxen. An eine Umverteilung glaubt er allerdings nicht: Einerseits sei es schwierig, hier überhaupt Kriterien festzulegen. Andererseits gebe es juristische Bedenken wegen des Gleichstellungsgebots.

In jedem Fall sollte die Vergütung aber auf die Ebene der Selbstverwaltung gebracht werden, damit man nicht wieder Jahrzehnte auf den Gesetzgeber warten müsse.

Seyfarth beobachtet durchaus, dass es wegen der Unsicherheiten beim Nachwuchs eine gewisse Zurückhaltung gibt. Auch seine Filialleitung habe nicht gerade euphorisch auf eine angedeutete Nachfolgeregelung reagiert – obwohl seine Apotheken zu den größeren Betrieben gehören. Wichtig sei also, die Apotheke wieder attraktiv zu machen, dann ließen sich auch Personalprobleme schnell lösen: Seyfarth glaubt nicht, dass es einen besonders ausgeprägten Fachkräftemangel gibt – „wir verplempern nur einfach viel zu viel Zeit mit unglaublichem Blödsinn“.

Daniela Hänel warnt davor, erst auf den Referentenentwurf zu warten.Foto: Mark Mattingly

Daniela Hänel vom Verein Freie Apothekerschaft ist äußert misstrauisch, was Lauterbach angeht. „Der Minister setzt sein eigenes Erbe um und spielt ein ganz falsches Spiel mit uns“, so ihre mahnenden Worte. „Wir müssen unheimlich aufpassen!“

Auf keinen Fall dürfe man abwarten, bis aus dem Ministerium ein Entwurf vorgelegt werde. „Dann wird es zu spät sein, wie man zuletzt beim ALBVVG gesehen hat: Wir haben in der Anhörung alle Probleme angesprochen – und trotzdem wurde das Gesetz 1:1 umgesetzt.“

Für sie ist es unumgänglich, dass die Apothekerschaft endlich Erfolge einfährt, denn viele Kolleginnen und Kollegen seien in höchstem Maße frustriert und hätten für die Proteste ihre letzten Kräfte mobilisiert. Seitens der Abda brauche es endlich Führung, pflichtete sie Seyfarth und Kemmritz bei. Denn die Aufforderungen, mit den Abgeordneten zu sprechen, laufe ins Leere: „‚Ich verstehe Sie‘, ‚ich nehme die Probleme mit nach Berlin‘ – solche unverbindlichen Zusagen könne sie nicht mehr hören. Nur eine Ausnahme würde sie gerne noch machen: „Ich würde Herrn Lauterbach gerne für 24 Stunden in meine Apotheke einladen.“

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