GmbH, Fonds für Landapotheken, Steuerzuschuss

Gesucht: Ideen für die Apothekenreform

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Bei VISION.A wurden verschiedene Ideen für eine Apothekenreform vorgetragen: Nadine Tröbitscher, Dr. Philipp Siebelt, Kristine Lütke, Magdalene Linze, Tino Sorge, Anja Zierath, Thomas Müller, Dr. Stefan Hartmann, Patrick Hollstein (v.l.n.r.)Foto: Mark Mattingly
Berlin -

Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) stockt, doch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ließ der Branche bei der VISION.A Zukunftskonferenz ausrichten: Ohne systemische Eingriffe sei mit ihm über Geld nicht zu sprechen. Und so blitzten im Schnelldurchlauf die ersten Ideen auf, über die die unterschiedlichen Beteiligten gerne sprechen würden.

Einmal mehr kritisierte Thomas Müller, der für Arzneimittel und Apotheken zuständige Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass seitens der Abda keine Vorschläge gekommen seien, wie die Probleme gelöst und die Versorgung weiterentwickelt werden könne. „Die verfasste Apothekerschaft will, dass alles so bleibt, wie es ist, oder am besten wieder so wird, wie es früher einmal war. Das ist nostalgisch und erinnert eher an Downton Abbey mit dem Dorfschulzen und dem Dorfapotheker als an die politische Realität.“

Dass die FDP den Kabinettsbeschluss blockiert, geht aus seiner Sicht am Ende zu Lasten der Apotheken selbst. Denn: „Das BMG mit Minister Lauterbach macht eine Honorarreform nur mit einer Strukturreform. Wir halten das für falsch, wenn wir jetzt finanzielle Elemente herauslösen, ohne dass wir in der Apothekerschaft auch eine Strukturreform machen.“ Wenn das BMG eine Apothekenreform mache, könne man nicht rundheraus alle Punkte ablehnen – nur wenn man auf Vorschläge zur Strukturreform eingehe, könne man auch Wege gehen, dann zu höheren Honoraren führten.

In der Diskussionsrunde signalisierte Müller durchaus Gesprächsbereitschaft. „In einer Dreierkoalition sind wir immer verhandlungsbereit. Aber nicht in der Form, dass wir nur finanzielle Elemente herausnehmen.“ Und so machten schnell die ersten Vorschläge die Runde.

PTA-Vertretung statt Light-Apotheke

Das umstrittenste Thema des Entwurfs sind nach wie vor die geplanten Apotheken ohne Approbierte. Die Idee ist derart provokativ, dass man sie fast schon für strategische „Streichmasse“ halten könnte; allerdings hatte Lauterbach sie zuletzt wieder einmal als Lösung gegen das Apothekensterben verteidigt. Auch Müller hielt daran fest.

Die FDP will hier weiter mauern: Das Vorhalten der Beratung sei ein ganz wichtiger Punkt, sagte Berichterstatterin Kristine Lütke. Für diejenigen Patienten, die das nicht wollten, gebe es heute bereits Möglichkeiten.

Anja Zierath (BVpta) fragt sich, warum PTA noch mehr Verantwortung nehmen sollten. Viele PTA hätten sich bewusst für einen Assistenzberuf entschieden; unterstützen müsse man diejenigen, die mehr in ihrem Beruf erreichen wollten. Das sei bei der Novellierung schief gelaufen, es gebe nur wenige Fortbildungen für eine Arbeit ohne unmittelbare Aufsicht. „So richtig hat das alles nicht geklappt. Da müssen hochqualifizierte, bundesweit anerkannte Fortbildungen her.“ Dann habe auch die PTA, die eine Karriere machen wolle, neue Möglichkeiten. Als Vorbild nannte sie neben Pharmazieingenieuren auch die Zahnarzthelferin, für die es Weiterentwicklungsmöglichkeiten gebe, ohne dass sie gleich zum Zahnarzt würden.

Müller ist dafür offen: Man brauche wieder eine Mittelposition wie den Pharmazieingenieur, auch wenn man dafür an die Ausbildung müsse, die wiederum Ländersache sei. „Ich bin total offen für Vorschläge, aber im Moment steht der Entwurf.“

Unterstützung bekam er vom BVDAK-Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann: „Natürlich trauen wir PTA mehr zu.“

Fonds für Landapotheken

Laut Magdalene Linz macht die geplante Umverteilung keinen Sinn, weil sie die Apotheken weiter schwächt, ohne einen nennenswerten positiven Effekt zu haben. Statt alle zu rasieren, könne man über eine gezielte Förderung von infrastrukturell wichtigen Apotheken nachdenken. In Wietzendorf in der Lüneburger Heide gebe es die einzige Apotheke im Umkreis von 20 Kilometern, diese müsste erhalten werden. Auch wenn das Verfahren schon weit fortgeschritten sei, könne man vielleicht gemeinsam mit Ökonomen noch eine Lösung analog zum Nacht- und Notdienstfonds (NNF) entwickeln.

Widerspruch gab es von Professor Dr. Justus Haucap: So etwas sei eine Art von Bedarfsplanung, womit Apotheken nur in noch größere Abhängigkeit gerieten. Außerdem würden sie abhängig von politischen Entscheidungen, da jeder Bürgermeister den Betrieb in seiner Gemeinde wolle. Sinnvoller wäre ein Ansatz, wie er ihn schon vor Jahren mit der Monopolkommission vorgeschlagen habe, nämlich ein höheres Honorar für Landapotheken.

Wer soll bluten?

Tino Sorge (CDU) findet nicht, dass zu wenig Geld im System ist – die Apotheken hätten einfach mehr davon verdient. In allen anderen Bereichen gebe es regelmäßig Anpassungen, „nur bei den Apotheken geht man davon aus, die bekommen das schon irgendwie hin, die PTA sowieso“. Über die Probleme könne man nicht länger so lapidar hinweggehen, so Sorge.

Auf der anderen Seite müsse man die GKV auch entlasten und Geld ins System packen, das ins System gehört. Damit spielte er auf versicherungsfremde Leistungen an, die die Koalition immer noch nicht anders finanziert hat. Grundsätzlich sei es wichtig, ausreichend Geld für die Gesundheitsversorgung bereit zu halten, denn diese sei auch ein Wahlkampfthema. Anderswo würden Milliarden locker gemacht, auch für die Apotheken sei in der Pandemie schon einmal Geld da gewesen.

Lütke hielt dagegen: Auch die Steuertöpfe seien endlich und keine sichere Bank. Was die Priorisierung innerhalb des Gesundheitswesens angehe, erwarte sie konkrete Vorschläge für eine Umverteilung. Im Grunde sei die Decke überall zu kurz.

Linz widersprach: Der Anteil der Apotheken an den GKV-Ausgaben sei von 2,9 auf 1,9 Prozent gesunken, „jetzt sind auch mal andere dran“. Und Hartmann schlug vor, endlich den Verwaltungsaufwand bei den Kassen zu stutzen.

Müller dazu: „Wenn man sagt, das Geld ist da, dann muss auch jemand sagen, dass es zu den Apotheken soll.“ Gerade die FDP habe doch Kostenneutralität zur Prämisse erklärt, dass also ein Minister den roten Teppich für die 12 Euro ausrolle, sei mehr als unwahrscheinlich. Daher die Verhandlungslösung.

Neue Dienstleistungen

Linz kann sich durchaus vorstellen, die Spezialisierung voranzutreiben und weitere Dienstleistungen in Apotheken zu etablieren. Gerade auf dem Land, wo es immer weniger Ärzte gebe, seien die Apotheken „wie die Spinne im Netz“ und könnten als Case Manager die Patienten betreuen. Als Beispiele nannte sie die Wundversorgung, aber auch das Abhalten von Videosprechstunden mit Praxen. Allerdings müsse zuerst die wirtschaftliche Grundlage geschaffen werden.

Müller hat Zweifel, denn schon die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) seien ein Flop. Protest von Robert-Martin Montag (FDP): Auch er findet, dass die Apotheken eine neue Rolle bekommen sollten – „auf Augenhöhe mit anderen Heilberufen“. Aber in jeder KFZ-Werkstatt, die nicht schwarz arbeite, zahle man 120 Euro für die Meisterstunde. Wie könne man von Apotheken erwarten, dass sie Leistungen erbrächten, die genauso wie das Kerngeschäft unterfinanziert seien. Obwohl der Staat die Verantwortung für eine angemessene Finanzierung habe, werde erwartet, dass Apotheken sich selbst querfinanzierten. „So viele Hustenbonbons können Sie gar nicht verkaufen.“

Dr. Philipp Siebelt (ARZ Haan) wies darauf hin, dass Apotheken sich schon jetzt viel einfallen lassen um zu überleben. Aber die strategische Ausrichtung hätten sie nur bedingt in der Hand – insofern müsse die Politik den Weg erst einmal freiräumen. Und Dr. Sebastian Schwintek (Treuhand Hannover) bezeichnete die Apotheken sogar als Quasi-Angestellte im öffentlichen Dienst, denen man aber – anders als den echten Staatsbediensteten – keine Honoraranpassung gewähre, sondern die selbst zusehen müssten, wie sie sich ihr Geld woanders holen oder effizienter würden.

Erst Apotheken-GmbH ...

Lütke brachte die Apotheken-GmbH ins Spiel. Man müsse nach neuen Möglichkeiten suchen, um jungen Apothekerinnen und Apothekern den Einstieg in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Wie bei anderen klassischen Freien Berufen – Ärzten etwa oder Anwälten – könne man weitere Rechtsformen erlauben, damit nicht das gesamte finanzielle Risiko auf den Schultern der Inhaber liege. Auf diese Weise könne man auch größere wirtschaftliche Einheiten darstellen.

Zustimmung von Hartmann, für den die Apotheken-GmbH ein ganz wichtiges Thema sei: Seine beiden Töchter hätten keine Lust gehabt, in eine gemeinsame OHG einzusteigen – weil ihnen die Vollhaftung ein zu großes Risiko sei, ihr gesamtes Privatvermögen zu verlieren. Selbst Apothekerinnen und Apotheker ohne Verbindlichkeiten liefen heute wegen zu geringer Margen Gefahr, nach 20 Jahren ordentlicher Arbeit in die Insolvenz zu geraten. Der Honorarstillstand werde derzeit nur dadurch kompensiert, dass kleine Betriebe aufgeben müssten.

Weniger positiv sah Markus Küthe die Sache. Der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht wies darauf hin, dass man die Risiken dadurch nicht wirklich abfedern könne, denn bei Mietverträgen und Krediten würden stets persönliche Bürgschaften verlangt. Womöglich seien GmbH-Geschäftsführer aber aufmerksamer, was die finanzielle Lage des von ihnen geführten Unternehmens angehe, denn bei der Verschleppung von Insolvenzen gerieten sie in Privathaftung.

... dann zu Ketten

Auch Haucap fände neue Rechtsformen gut – und zwar bis hin zu Ketten: Auf dem Land könne eine Filiale interessant sein, wenn sie nicht zu den bisherigen maximal vier Standorten gehöre. Und auch das Fremdbesitzverbot gehöre auf den Prüfstand, denn die inhabergeführte Apotheke werde sich genauso bewähren wie der inhabergeführte Weinhandel auf dem Prenzlauer Berg. Man könne ja gerne erst einmal einen Modellversuch durchführen, etwa im Saarland oder in Thüringen.

 

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