Gröhe will Palliativmedizin verbessern dpa, 18.06.2015 09:02 Uhr
Nach geltender Rechtslage sind Suizid und Beihilfe nicht strafbar, aktive Sterbehilfe ist dagegen verboten. Am Mittwoch legte bereits die vierte Abgeordnetengruppe einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung vor. Außerdem beschäftigte sich der Bundestag erstmals mit dem Palliativ- und Hospizgesetz von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Die Gruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sowie die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und Gesundheitspolitiker Professor Dr. Karl Lauterbach will Ärzten erlauben, sterbenskranken und extrem leidenden Patienten beim Suizid zu helfen. Die Abgeordneten wollen laut eigener Aussage für Ärzte und Patienten Rechtssicherheit schaffen. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, stellte sich jedoch gegen den Vorschlag: „Man soll nicht durch den Arzt sterben, sondern an der Hand des Arztes in den Tod begleitet werden“, sagte der Mediziner.
Reimann sagte, sollte der Entwurf ihrer Gruppe Gesetz werden, würde den Sterbehilfevereinen die geschäftliche Grundlage entzogen und niemand müsste mehr ins Ausland fahren, um Hilfe beim Sterben zu bekommen. Hintze wies darauf hin, dass Hilfe zum Suizid in Deutschland ohnehin schon seit 150 Jahren straffrei sei. Allerdings werde das ärztliche Standesrecht in diesem Punkt in den regionalen Ärztekammern unterschiedlich gehandhabt. In Bayern etwa ist der ärztlich assistierte Suizid erlaubt, in Berlin nicht. Laut Lauterbach stellt sich in etwa 500 Fällen im Jahr die Frage des assistierten Suizids.
Alle vier vorliegenden Gesetzentwürfe wollen erreichen, dass es keine organisierte, gewerbsmäßige Sterbehilfe mehr gibt. Die fraktionsübergreifend erarbeiteten Entwürfe reichen von einer weitgehenden Freigabe – sofern die Hilfe nicht am Profit ausgerichtet ist – über eine ärztlich assistierte Selbsttötung bis hin zu einem weitreichenden Verbot der Sterbehilfe. Im Gegensatz zu den anderen Entwürfen will die Gruppe um Hintze und Lauterbach jedoch eine Erlaubnisvorschrift im Zivilrecht schaffen und kein Verbotsgesetz im Strafrecht.
Die schärfste strafrechtliche Regelung sieht eine Gruppe um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) vor. Sie will mit einem neuen Paragrafen 217 Strafgesetzbuch „Anstiftung und Beihilfe an einer Selbsttötung“ verbieten. Nur in extremen Ausnahmefällen von großem Leid solle dies straffrei bleiben.
Eine Gruppe um Renate Künast (Grüne), Petra Sitte (Linke) und Kai Gehring (Grüne) betont die Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid. Sie will aber Beihilfe zur Selbsttötung „aus Gründen des eigenen Profits“ bestrafen. Sterbehilfevereine sind ausdrücklich erlaubt, sofern sie keinen Profit erzielen wollen.
Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) will die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe unter Strafe stellen. Das ziele gegen „Vereine oder einschlägig bekannte Einzelpersonen“. Suizidbeihilfe, „die im Einzellfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, solle ausdrücklich nicht kriminalisiert werden. Der Entwurf gilt als aussichtsreich.
Das Parlament will sich noch vor der Sommerpause mit den Anträgen befassen und Anfang November über die Neuregelung der Sterbehilfe abstimmten. Alle vier Abgeordnetengruppen sind sich darin einig, dass noch vor einer Neuregelung der Sterbehilfe eine bessere Versorgung von Sterbenden in der Palliativ- und Hospizmedizin nötig ist. Ein entsprechendes Gesetz von Gröhe wurde am Mittwoch im Bundestag behandelt.
Gröhe will dazu zusätzlich etwa 200 Millionen Euro in die Hand nehmen. Ambulante wie stationäre Palliativ- und Hospizversorgung zu Hause, in Pflegeeinrichtungen, Hospizen oder Krankenhäusern soll flächendeckend ausgebaut werden. Während die Union von einem Meilenstein spricht, forderte die Opposition Nachbesserungen.
Pia Zimmermann (Die Linke) kritisierte unter anderem eine Ungleichbehandlung der sterbenden Menschen in Hospizen und stationären Pflegeeinrichtungen. Diese Zwei-Klassen-Medizin müsse beendet werden, forderte sie. Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) sieht im Regierungsentwurf zwar gute Ansätze. Allerdings fehle es an gut ausgebildetem Personal und an Geld. Sozial- und Pflegeverbände sehen ebenfalls Nachbesserungsbedarf.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Palliativversorgung Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Niedergelassene Ärzte und Krankenkassen sollen zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren.
Um insbesondere in ländlichen Regionen den weiteren Ausbau der sogenannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu beschleunigen, soll ein Schiedsverfahren für Versorgungsverträge der Krankenkassen mit den versorgenden Teams eingeführt werden. Die finanzielle Ausstattung stationärer Kinder- und Erwachsenenhospize soll laut dem Gesetzesentwurf ebenfalls verbessert werden.
Bei den Zuschüssen für ambulante Hospizdienste sollen künftig neben den Personalkosten auch die Sachkosten berücksichtigt werden, etwa die Fahrtkosten der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Die Krankenkassen sollen zur Beratung der Versicherten bei der Auswahl verschiedener Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung verpflichtet werden.