Das Anti-Korruptionsgesetz schien eigentlich auf der Zielgeraden. Doch Gesundheitspolitiker der SPD verlangen jetzt, den im Rechtsausschuss gefundenen Kompromiss wieder zu ändern. Dieser sei nicht akzeptabel, sagte SPD-Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach der Süddeutschen Zeitung. Auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD), bekräftigte seine Vorbehalte gegen die Änderungen des Rechtsausschusses: „Der Patientenschutz muss in ein Anti-Korruptionsgesetz“, sagte er.
Die Zeitung schreibt dazu, glaube man Lauterbach, würden durch den Kompromiss vor allem die Patienten benachteiligt. Der sagte: „Krankenkassen und Pharmaindustrie erhalten einen besseren Schutz vor Korruption. Allein der Patient bleibt ungeschützt.“ Das sei unhaltbar.
So könne auch künftig kein Arzt strafrechtlich belangt werden, wenn er einen Patienten aus wirtschaftlichem Eigeninteresse falsch behandle. Nach Lauterbachs Worten sind Fälle denkbar, in denen Ärzte bewusst ein schlechteres Medikament verschreiben, weil sie im Gegenzug Geld des Pharmaunternehmens erhalten. Experten zufolge würden solche Fälle allerdings sehr wohl unter das Anti-Korruptionsgesetz fallen – auch in der neuen Fassung.
Bereits früher hatte sich Lauterbach zum Thema Korruption im Gesundheitswesen weit aus dem Fenster gelehnt. Ob die SPD-Gesundheitspolitiker das Gesetz noch stoppen können, ist offen. Im federführenden Rechtsausschuss ging man in der vergangenen Woche davon aus, dass das Gesetz mit dem Kompromiss in der kommenden Woche verabschiedet werden kann.
Die Rechtspolitiker von Union und SPD hatten sich auf Änderungen des Entwurfs verständigt. Vor allem die bei Experten umstrittene Anbindung an das Berufsrecht wurde gestrichen. Die berufsrechtlichen Vorschriften seien teilweise zu unbestimmt und vor allem nicht bundesweit einheitlich. Beides verträgt sich nicht mit dem Strafrecht.
Schon bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags war dies von den geladenen Experten fast unisono kritisiert worden. Daher hatte die Koalition in diesem Punkt eingelenkt – Verstöße können jetzt nur noch mit Blick auf ihre wettbewerbsrechtliche Relevanz geahndet werden.
Im Bundesjustizministerium (BMJV) geht man aber davon aus, dass dieser Hebel reicht: Der Wettbewerbsbegriff sei in diesem Punkt weit auszulegen, heißt es in der Begründung zum Änderungsantrag. So bestünde etwa bei patentgeschützten Arzneimitteln immer ein Wettbewerb mit Importen. Das Ministerium hatte zum Änderungsantrag eine Formulierungshilfe verfasst.
Ebenfalls gestrichen werden sollen der Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln im Straftatbestand, sofern die Mittel nicht unmittelbar beim Arzt angewendet werden. Die Apotheker wären in ihrer Funktion als Kaufleute also nicht mehr vom Anti-Korruptionsgesetz betroffen. Auch zu dieser Frage hatte es während des Gesetzgebungsprozesses viele Diskussionen gegeben. Es bestand die Befürchtung, dass jeder handelsübliche Rabatt im Einkauf unter Korruptionsverdacht stehen könnte. Dies sollte verhindert werden.
Das Gesetz zielt jetzt stärker auf die Verordnung von Arzneimitteln ab. Dabei können sich auch Apotheker nach dem neuen Entwurf strafbar machen, wenn sie etwa mit einem Arzt unzulässige Absprachen über die Zuweisung von Patienten treffen.
Die Änderungsvorschläge waren innerhalb der Koalition konsentiert – allerdings dem Vernehmen nach nur im federführend zuständigen Rechtsausschuss. Die Vertreter im mit beratenden Gesundheitsausschuss wurden vor Bekanntgabe des Kompromisses nicht informiert. Vermutlich hat das zum Unmut innerhalb der SPD-Fraktion beigetragen.
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