BMG soll mehr Kompetenzen erhalten

Gesetzentwurf: Spahn will mehr Macht

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Kompetenzen seines Ministeriums vergrößern: Laut dem Referentenentwurf für das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, der APOTHEKE ADHOC vorliegt, soll das Bundesgesundheitsministerium (BMG) künftig unter bestimmten Bedingungen selbstständig Rechtsverordnungen erlassen können. Ohne Zustimmung des Bundesrates soll es demnach den Reiseverkehr selbstständig einschränken und Krankenversicherungen zur Bezahlung von Impfungen und Tests verpflichten können – auch für Nicht-Versicherte.

Bereits am 25. März – dem Tag der Verkündung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Bundestag – wurde das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ermächtigt, durch Anordnung oder Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates verschiedene Maßnahmen zu treffen. „Davon hat das BMG Gebrauch gemacht“, so der Entwurf. Allerdings ist diese Ermächtigung im Wesentlichen bis zum 31. März 2021 beschränkt – oder würde enden, wenn der Bundestag ein Ende der epidemischen Lage nationaler Tragweite beschließt. Danach sieht es vorerst allerdings überhaupt nicht aus.

Spahn will nun mit dem Referentenentwurf die Ermächtigung zu Anordnungen und Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates auch über die Zeit der Epidemie hinaus retten – und zwar „unter der Voraussetzung, dass dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist“. Wie genau diese Voraussetzung definiert ist – also beispielsweise durch eine Verkündung seitens des Robert-Koch-Instituts (RKI) oder aber durch eigene Lageeinschätzung – darauf geht der Referentenentwurf nicht ein.

Dafür gehen daraus erste konkrete Anwendungsfelder hervor: „Auf dieser Basis sollen künftig auf Grundlage einer Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zum internationalen und nationalen Reiseverkehr bundeseinheitliche Schutzmaßnahmen vorgesehen werden“, heißt es darin beispielsweise. Das BMG soll demnach ermächtigt werden, künftig beispielsweise Flug- und Bahnreisen aus oder in Risikogebiete einzuschränken. So soll das BMG per Rechtsverordnung festlegen können, „dass Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie einem erhöhten Infektionsrisiko für bestimmte bedrohliche übertragbare Krankheiten ausgesetzt waren (…) ausschließlich zur Feststellung und Verhinderung der Verbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit verpflichtet sind“, dem RKI Auskunft über ihre Identität, Aufenthaltsorte bis zu zehn Tage vor und nach der Einreise und sonstige personenbezogene Angaben bekannt zu geben, eine Impfdokumentation vorzulegen, Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben, einen Nachweis über ärztliche Untersuchung vorzulegen oder „eine ärztliche Untersuchung auf Ausschluss der bedrohlichen übertragbaren Krankheit durch die zuständigen Behörden zu dulden“.

Doch unter Schutzmaßnahmen können auch die Verpflichtung der jeweiligen Unternehmen subsumiert werden, personenbezogene Daten zu übermitteln. Auch darauf bezieht sich der Referentenentwurf. Demnach sollen Unternehmen, die im Eisenbahn-, Bus-, Schiffs- oder Flugverkehr grenzüberschreitend Reisende befördern, Betreiber von Flugplätzen, Häfen, Personenbahnhöfen und Omnibusbahnhöfen sowie Reiseveranstalter nicht nur verpflichtet werden können, Schutzmaßnahmen umzusetzen und persönliche Daten ihrer Kunden an das RKI oder die Gesundheitsämter weiterzuleiten – und noch konkreter, ihnen kranke oder krankheitsverdächtige Personen zu melden. Und mehr noch: Das BMG will den Unternehmen auch verbieten können, Menschen aus oder in Risikogebiete zu transportieren. Aufheben kann die Rechtsverordnungen des BMG dem Gesetzentwurf zufolge nur der Bundestag.

Das BMG will aber nicht nur selbstständig Rechte einschränken, sondern auch Ansprüche festlegen können: Dem Referentenentwurf zufolge kann das BMG per Rechtsverordnung festlegen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für Impfungen sowie „bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit bestimmten Krankheitserregern oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen bestimmte Krankheitserreger“ zahlen muss – und zwar auch für Patienten, die nicht in der GKV versichert sind. Bisher kann das BMG nur einen Anspruch auf Testungen für den Nachweis einer Sars-CoV-2-Infektion anordnen.

Dagegen keimt im GKV-Lager bereits Widerstand auf. Die Barmer hat bereits öffentlich Stellung zu dem Vorhaben bezogen. „Mit der Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit zur Vornahme von Rechtsverordnungen werden ureigenste Aufgaben der gemeinsamen Selbstverwaltung dem Staat übertragen“, kritisiert die Kasse. „Tests an symptomlosen Personen gehören nicht zum Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung und müssen im Rahmen der Gefahrenabwehr aus Steuermitteln erbracht werden.“ Außerdem sei notwendig, dass auch die private Krankenversicherung an der Finanzierung der Kosten beteiligt wird.

 

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