Nur viereinhalb Wochen nach der Landtagswahl ist in Bayern die Regierungsbildung abgeschlossen. Woanders werde noch sondiert, in Bayern könne die neue Regierung nun bereits arbeiten, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner kurzen Rede im Landtag vor der Vereidigung des neuen Ministerrates. „Das ist das neue Team Bayern.“ Das neue Kabinett sei eine Mischung aus Kontinuität und Weiterentwicklung, welches in den aktuell schweren Zeiten auch ein Zeichen der Stabilität setze. Die bisherige Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) wird demnach neue Gesundheitsministerin.
Amtierende Gesundheitsministerin war zuletzt Ulrike Scharf, nachdem Klaus Holetschek nach der Landtagswahl zum neuen Fraktionschef aufgerückt war. Nach mehr als 16 Jahren gehört die ehemalige Gesundheitsministerin Melanie Huml der bayerischen Staatsregierung nicht mehr an. Söder dankte ihr in seiner Rede explizit für die geleistete Arbeit. Gerlach war zuletzt seit 2018 Staatsministerin für Digitales. Bereits seit 2013 ist die damals 27-jährige Rechtsanwältin über den Stimmkreis Aschaffenburg-Ost Mitglied des Bayrischen Landtags.
„Nachdem ich in den letzten fünf Jahren Pionierarbeit beim deutschlandweit ersten Digitalministerium geleistet habe, darf ich nun ein Thema verantworten, das für jeden von uns von entscheidender Bedeutung ist: die Gesundheit – in jeder Lebensphase, bis ins hohe Alter“, so Gerlach. „Es ist mir ein Herzensanliegen, die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pflege zu unterstützen. Deren Leistungen sind herausragend. Einen Schwerpunkt möchte ich zudem auf den Einsatz des technologischen Fortschritts legen, denn die Medizin – und damit wir Menschen – profitieren stark von innovativen digitalen Entwicklungen.“
Dass sie einen Posten im neuen Kabinett bekommen würde, galt als sicher. Aufgrund ihres Studiums hatte man sie aber eher zum Beispiel im Justizministerium gesehen. Von der breiteren Öffentlichkeit wurde sie zuletzt wahrgenommen, da sie gerne mal im Dirndl bei Vereinsfesten im Stimmkreis als Kellnerin aushilft – einfach weil es ihr Spaß mache und sie so den Kontakt zu den Wählern halten wollte.
Der Bayerische Apothekerverband (BAV) gratulierte Gerlach zur Ernennung als Bayerische Gesundheitsministerin. Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes: „Wir gratulieren Frau Gerlach zum neuen Amt und hoffen, an die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die wir mit ihrem Vorgänger Klaus Holetschek hatten, anknüpfen zu können.“
Besonders während der Pandemie habe sich die Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Gesundheitsministerium und dem BAV bewährt. So konnte die ambulante Impfkampagne 2021 dank der Logistikleistung der bayerischen Apotheken eine Woche vor der bundesweiten Aktion starten. Auch bei der Abgabe kostenfreier Corona-Tests an Kindergartenkinder durch Apotheken, sei die Kooperation beispielhaft gewesen.
Gerlach stammt aus einer Politiker-Familie. Ihr Großvater war der langjährige CSU-Bundestagsabgeordnete Paul Gerlach, ihr Vater war im Stadtrat, auch zwei ihrer drei Geschwister engagieren sich. „Ich habe das schon ein bisschen in die Wiege gelegt bekommen“, sagte Gerlach 2013 zu den Weichenstellungen in ihrer Familie.
In der CSU wird Gerlachs Arbeit als Digitalministerin durchaus positiv gesehen, sie habe sich gut entwickelt, heißt es etwa. Letztlich sei sie eines der größten Talente im Landtag. Zugute gehalten wird ihr dabei insbesondere, dass ihr Haus praktisch ohne direkte Kompetenzen oder einen nennenswerten Etat auskommen musste. Sozusagen als Denkwerkstatt, die den anderen Ministerien Ideen liefern sollte, wie die Digitalisierung vorangetrieben werden kann.
Dabei zeigte Gerlach auch, dass sie vor Streitereien nicht zurückschreckt. Ein Disput mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger führte gar zur Einberufung des Koalitionsausschusses, um die Wogen zu glätten.
Mit 17 Jahren war Gerlach in die CSU eingetreten, die Rechtsanwältin ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. In ihrer Freizeit geht sie nach eigenen Angaben gerne wandern und joggen: „Ich laufe so oft ich die Möglichkeit habe, das macht den Kopf frei! Und ich singe gerne, vor allem gemeinsam mit anderen“, schreibt sie auf ihrer Homepage.
Im Koalitionsvertrag gibt es ein Bekenntnis zu den Heilberufen, auch zu den Apotheken.
„Für bestmögliche Gesundheitsversorgung und Pflege“, lautet die Überschrift eines Kapitels zur Gesundheitsversorgung, das natürlich mit der Aussage beginnt: „In Bayern lebt man lange und gesund.“ Dies wäre nicht möglich ohne den unermüdlichen Einsatz all derer, die tagtäglich Kranke und Pflegebedürftige in Krankenhäusern, Praxen, Pflegeheimen und zu Hause versorgen und betreuen. Sie wollen wir nachhaltig unterstützen und entlasten.“
Die bestmögliche medizinische Versorgung dürfe kein Privileg der Ballungsräume und keine Frage des Einkommens sein. „Wir stehen für ein solidarische und leistungsfähiges Gesundheitssystem, das die Bürgerinnen und Bürger auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik versorgt. Einer Zwei- oder Mehrklassenmedizin erteilen wir eine Absage. Wir stehen zu gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Eine Einheitsversicherung lehnen wir ab.“
Besonderes Augenmerk liege auf dem ländlichen Raum. „Wir gewährleisten weiterhin beste medizinische und pharmazeutische Versorgung im ganzen Land. Für uns ist die Freiberuflichkeit von zentraler Bedeutung. Investorengeführte Medizinische Versorgungszentren wollen wir massiv beschränken.“
Arzneimittel und Medizinprodukte, insbesondere Antibiotika, müssten „ständig und verlässlich im ganzen Land verfügbar“ bleiben, heißt es. „Wir wollen Apotheken im ländlichen Raum erhalten und Nachwuchs sichern. Den Versandhandel für rezeptpflichtige Arzneien lehnen wir ab.“ Beim Bund setze man sich für größere Autarkie und mehr eigene Produktion in Deutschland und Europa ein. „Den Pharmastandort Bayern wollen wir stärken, die bisherigen Initiativen führen wir fort.“
Ähnliche Bekenntnisse bekommen auch andere Gesundheitsberufe, Ärzte etwa oder Hebammen.
Die Cannabis-Legalisierung wird strikt abgelehnt. „Besonders für Jugendliche bedeutet Cannabis-Konsum eine erhebliche Gesundheitsgefahr. Wir werden alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen, damit es in Bayern keine Modellregion für Cannabis gibt.“
APOTHEKE ADHOC Debatte