Das Vergütungssystem der Apotheken muss dringend erneuert werden. Das ist der Schlüssel, um weitere Apothekenschließungen zu verhindern, machte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) heute auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands (DAV) deutlich. Von einer Honorarerhöhung mit dem Gießkannenprinzip hält Gerlach nichts.
„Mich hat noch nie jemand gefragt, wann man den ersten Joint legal rauchen kann“, so Gerlach. „Ich werde gefragt, wann das Arzneimittel wieder lieferbar ist und ob das Klinikum erhalten bleibt.“ Damit spielte sie auf die Prioritätenliste von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an – aus ihrer Sicht ist die Cannabis-Legalisierung gerade nicht das, worum sich die Politik kümmern müsse.
Das Apothekensterben in Deutschland hält seit 2009 an. Von den damals mehr als 21.000 Apotheken sind derzeit nur noch knapp 17.400 übrig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand – schlechte Vergütung, Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie aber auch die Frage nach Rentabilität und Wiederverkauf.
Das vorgelegte Eckpunktepapier löse die Probleme allerdings nicht. „Die Eckpunkte sind aus meiner Sicht nicht geeignet, die Apotheken zu fördern“, so Gerlach, die den Apotheken in ihrem Ringen mit der Bundesregierung um eine zukunftsfähige Reform den Rücken stärkt.
„In Flächenländern wie Bayern sind eine gesunde Apothekenlandschaft und eine stabile Versorgung gerade auch auf dem Land immens wichtig. Wir brauchen bundesweit dringend eine Erneuerung des Vergütungssystems. Das ist der Schlüssel, um Apothekenschließungen zu verhindern.“ Allerdings müsse der Finanzhaushalt der Kassen im Blick behalten werden.
„Was gar nicht in Sicht ist, ist eine angemessene Vergütung von Apotheker:innen“, so Gerlach mit Blick auf das Eckpunktepapier. Dieses enthalte eine Mogelpackung – nur eine Umverteilung. Diese werde nichts lösen auf lange Sicht. Lauterbach führe eine Ablenkungsdiskussion, in dem er Homöopathie streichen will. „Mit Homöopathie ist nicht viel getan.“ Würde Homöopathie aus der Erstattung gestrichen, werde nicht viel gerettet und nicht viel Geld bei den Kassen gespart.
„Steigende Kosten für Personal und Energie spüren auch die Apothekerinnen und Apotheker seit langem. Deswegen muss eine Reform bei der Honorierung ansetzen und das Vergütungssystem strukturell angepasst werden. Um eine flächendeckende Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken auch in Zukunft zu gewährleisten, ist es notwendig, dass auch kleinere und umsatzschwächere Apotheken insbesondere im ländlichen Raum und städtischen Randgebieten weiterbetrieben werden.“
Eine Erhöhung des Fixums in 2027 ist zu spät. „Die Erhöhung ist essenziell und muss vorher passieren. „Es ist nicht fünf vor zwölf, eigentlich hat die Uhr schon geschlagen.“ Allerdings sollten Apotheken nicht nach dem Gießkannenprinzip mehr Geld erhalten, dann davon würden auch die Versender profitieren, beispielsweise bei einer Erhöhung des Fixums.
Die Alternative ist aus ihrer Sicht eine gezielte Stärkung an Stellen, wo eine besondere Stellung der Apotheken zu sehen ist. Not- und Nachtdienste besser zu vergüten, würde auch Landapotheken helfen. Zudem müssten Honorare dort erhöht werden, wo nur Vor-Ort-Apotheken liefern dürfen, beispielsweise bei BtM, Rezepturen – also da, wo Versandapotheken sich nicht kümmerten. Man müsse die Frage stellen: „Wo haben wir die Bereiche, die die Apotheke für das Gesamtwohl leistet, aber die Versandapotheke nicht.“
„Bayern setzt sich mit Nachdruck bei der Bundesregierung dafür ein, dass die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verordnete Erhöhung des Apothekerabschlags schnell wieder gestrichen wird. Außerdem müssen die Festzuschläge erhöht werden, damit Leistungen der inhabergeführten öffentlichen Apotheken angemessen und gerecht honoriert werden. Es liegt schon seit Juli 2023 ein entsprechender Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vor, die Vergütungssituation der Apotheken nachhaltig zu verbessern.“ Gute Arzneimittelversorgung brauche angemessene Rahmenbedingungen und eine engagierte Apothekerschaft.
Apotheken ohne Approbierte sind für Gerlach keine Alternative. „Ich sehe in den Plänen von Bundesminister Karl Lauterbach für sogenannte Video-Apotheken ohne Fachpersonal vor Ort sogar eine Gefahr für die Versorgung. Die Qualität der Beratung und die Arzneimittelsicherheit können Video-Apotheken sicher nicht in dem Maße gewährleisten, wie es angezeigt ist. Die Gesundheit der Menschen darf kein Experimentierfeld für unausgegorene technische Veränderungen sein.“
Digitalisierung sollte nicht eingesetzt werden, um moderner zu sein, sondern der Einsatz müsse Sinn haben: „Welche Chancen haben wir, wird die Arbeit erleichtert oder werden neue Arbeitsfelder erschlossen?“ Light-Filialen ohne Approbierte mit Telepharmazie seien das nicht.
Das bayerische Gesundheitsministerium unterstütze Apotheken mit einer Reihe von konkreten Maßnahmen. Dazu gehöre die Finanzierung einer Studie im Umfang von 700.000 Euro, mit deren Hilfe innovative Ansätze für eine Optimierung der Apothekenversorgung erarbeitet werden sollen. Betrachtet werde der Status quo der Apotheken in Bayern. Wie sind die Apotheken aufgestellt, welche Maßnahmen und Stellschrauben sind nötig? Außerdem investiert Bayern 100.000 Euro in eine Nachwuchskampagne für Apotheker:innen und PTA.
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