Gerlach warnt vor „Video-Apotheken“ Laura Schulz, 11.07.2024 15:01 Uhr
Das Apothekensterben macht auch vor Bayern nicht Halt, Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) fordert von der Bundesregierung daher eine Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung. Heute schaute die Ministerin in der Apotheke von Franziska Scharpf in Sonthofen vorbei.
„Die Zahl der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken im Freistaat nimmt stetig ab. Seit 2009 wurden mehr als 600 Apotheken in Bayern für immer geschlossen. Aber die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie auch in Zukunft wohnortnah mit allen Arzneimitteln versorgt werden – und das flächendeckend auch auf dem Land“, so Gerlach. „Deshalb arbeiten wir intensiv mit den Apothekerinnen und Apothekern zusammen. So finanziert das bayerische Gesundheitsministerium aktuell mit 700.000 Euro eine Studie, mit der innovative Ansätze für die künftige Gestaltung und Sicherstellung der Arzneimittelversorgung durch öffentliche Vor-Ort-Apotheken erarbeitet werden sollen.“
Scharpf betreibt in Bayern eine Familienapotheke und ist auch Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK). Sie informierte die Ministerin über das weite Leistungsspektrum und die komplexen Arbeitsabläufe. Ende des vergangenen Jahres hatte sie auch den damaligen Gesundheitsminister Klaus Holetschek zu Besuch. Natürlich waren auch die Positionen der BLAK zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) Thema.
Für Gerlach ist klar: „Mit einer Vor-Ort-Apotheke den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen, muss für die Apothekerinnen und Apotheker wieder wirtschaftlich auskömmlich sein. Sonst können wir auch das Nachwuchsproblem nicht lösen.“ Dafür sei das Ministerium auch zusammen mit der BLAK und dem Bayerischen Apothekerverband (BAV) mit einer Kampagne aktiv, um pharmazeutisches Personal für die öffentlichen Apotheken zu gewinnen.
Lieber Finanzierungskonzepte statt „Video-Apotheken“
„Die Apothekerinnen und Apotheker stehen durch die Inflation, die gestiegenen Personal- und Energiekosten und die unzureichende Honorierung unter immensem finanziellen Druck. Die öffentlichen Apotheken brauchen ein ausreichendes betriebswirtschaftliches Fundament, um eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Dafür braucht es neue Finanzierungskonzepte“, so Gerlach.
Das ApoRG gefährde allerdings die Versorgung vor Ort, wenn nicht endlich umgesteuert werde. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss alles dafür tun, die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Apotheken zu bewahren. Die Preisgestaltung muss neu geregelt werden. Vorhandene Mittel nur umzuverteilen, kann nicht die Lösung sein! Ich fordere eine angemessene Erhöhung der seit Jahren unveränderten Apothekenzuschläge bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den öffentlichen Apotheken.“
„Ich sehe auch in den Plänen von Lauterbach für sogenannte Video-Apotheken ohne Apothekerinnen oder Apotheker vor Ort und damit zwangsweise eingeschränktem Arzneimittel- und Dienstleistungsangebot eine Gefahr für die Versorgung“, meint Gerlach. Die Light-Apotheken könnten nicht die gewohnte und notwendige Qualität sichern. „Digitalisierung soll unser Leben besser machen und nicht Qualitätseinbußen in der Versorgung provozieren.“
Gerlach unterstrich: „Die geplante Apothekenreform geht an den Bedürfnissen sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Apotheken vorbei – auch weil nicht ernsthaft mit den Beteiligten gesprochen wird. Lauterbach sollte das Vorhaben zunächst auszusetzen und auf Bundesebene in einem überparteilichen Gremium – auch mit Bürgerinnen und Bürgern und Apothekerinnen und Apothekern – die künftige Versorgung diskutieren. Es geht hier schließlich um eine grundlegende Weichenstellung für die Apothekenversorgung der Zukunft.“