Die Ausgaben der Krankenkassen für Blutgerinnungshemmer sind in den zurückliegenden Jahren sprunghaft angestiegen. 2008 lagen die Kosten für die Antikoagulantien noch bei insgesamt gut 68 Millionen Euro, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. Mit dem Markteintritt neuer Mittel wie Xarelto (Rivaroxaban) von Bayer, Pradaxa (Dabigatran) von Boehringer Ingelhein und Eliquis (Apixaban) von Pfizer/Bristol-Myers Squibb (BMS) erhöhten sich die Gesamtkosten auf gut 675 Millionen Euro im vergangenen Jahr.
Nach Zahlen der Bundesregierung war der Kostenanstieg für Gerinnungshemmer bis 2011 moderat: 87,8 Millionen Euro betrugen die Ausgaben 2011, ein Jahr später sprangen sie auf 222,2 Millionen Euro, noch ein Jahr später auf 472,4 Millionen Euro.
Die Kosten für neuere und ältere Gerinnungshemmer gehen den Angaben zufolge dabei drastisch auseinander. So werden die durchschnittlichen monatlichen Therapiekosten im Fall Xarelto mit 100,50 Euro angegeben, für Pradaxa mit 96,90 Euro und für Generika mit dem Wirkstoff Phenprocoumon mit 4,80 Euro.
Xarelto wurde von 2014 insgesamt knapp 2 Millionen Mal in Deutschland auf Kassenkosten verordnet – von 2011 auf 2012 stiegen die Zahlen von 37.200 auf 481.500 und weiter auf 1,3 Millionen im Folgejahr; Pradaxa startete 2008 mit 1700 Verordnungen, 2009 waren es 4900, im Folgejahr sprang die Verordnungszahl auf knapp 11.000 und 2011 auf 106.300. 2012 stieg die Zahl weiter auf 480.600 und 2013 auf 666.900; zuletzt lag das Präparat bei 673.000 Packungen. Auch Eliquis sprang von 2013 auf 2014 sprunghaft von 114.600 auf 553.000 Verordnungen. Marcumar wurde 3,7 Millionen mal verordnet. Seit 2012 sanken die Verordnungszahlen von knapp 4 Millionen Verordnungen.
Bezüglich möglicher Gesundheitsrisiken durch Xarelto sieht die Regierung derzeit keinen Handlungsbedarf. Alle zugelassenen Medikamente unterlägen einer ständigen Beobachtung auf mögliche Risiken. Meldungen über Nebenwirkungen würden auf Risikosignale hin untersucht. Bei neuen Arzneimitteln würden Verdachtsfälle erfahrungsgemäß häufiger gemeldet als bei lang eingeführten Präparaten.
Aus den vorliegenden Meldungen, die dem BfArM vorlägen, ergebe sich kein neuer Handlungsbedarf. Die jüngste routinemäßige Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Xarelto sei im Oktober 2014 „mit Bestätigung eines positiven Verhältnisses“ abgeschlossen worden.
Die blutgerinnungshemmende Wirkung von Xarelto lasse sich im Übrigen mit demselben Mittel aufheben, das auch bei Blutungen unter Marcumar wirksam sei, heißt es in der Antwort weiter. Somit existiere für Xarelto ein zugelassenes und weit verfügbares Gegenmittel, das notfalls Blutungen stoppen könne.
Die Linksfraktion hatte kritisiert, es gebe keine Belege dafür, dass Xarelto zuverlässiger als das seit Jahrzehnten eingeführte Marcumar (Phenprocoumon) sei. Auch die Gefahr schwerer Blutungen werde nicht reduziert. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) empfehle daher, den Einsatz von Xarelto auf solche Patienten zu beschränken, für die die bislang verwendeten Medikamente nicht infrage kämen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe im Jahr 2014 fast 2000 Meldungen zu Nebenwirkungen durch Xarelto erhalten. Laut BfArM sei das Mittel mutmaßlich für 161 Todesfälle verantwortlich. Die Fraktion verwies auf den AkdÄ-Vorsitzenden Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, der die hohen Verschreibungszahlen auf ein „exorbitantes Marketing“ zurückführte: „Ich habe selten eine derartige Kampagne gesehen wie bei diesen neuen Blutverdünnern“, zitiert die Linksfraktion seine Aussagen im ARD-Magazin „PlusMinus“.
Es gebe zahlreiche Artikel in gekauften Zeitschriften der Industrie sowie Meinungsführer, die skrupellos die neuen Medikamente propagierten. Darüber hinaus gebe es Fortbildungsveranstaltungen, in denen „so genannte Meinungsführer mit Interessenkonflikten auftreten und durch ihre Aussagen ganz wesentlich ein unkritisches Verordnungsverhalten fördern“, so Ludwig laut Linksfraktion.
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