Abbau von Impfteams und -stützpunkten

Geringe Nachfrage: BaWü dampft Impfangebote ein

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Berlin -

Kaum jemand im Südwesten lässt sich noch gegen das Coronavirus impfen. Das Land will die im Winter eilig aufgebaute Struktur für die Booster-Impfungen nun wieder eindampfen – wegen der hohen Kosten. Doch schon bald könnten die Impfteams wieder gebraucht werden.
 

Das Land Baden-Württemberg will ab Anfang April das Impfangebot wegen fehlender Nachfrage zumindest bis Herbst reduzieren. Statt der bisher etwa 350 mobilen Impfteams und 135 Impfstützpunkten soll es jeweils nur noch ein Team und einen Stützpunkt in allen 44 Stadt- und Landkreisen geben. Das geht aus der Kabinettsvorlage des Sozialministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart vorliegt. So sei es möglich, flexibel zu reagieren, etwa wenn sich die Pandemie wegen einer neuen Virusvariante erneut dramatisch zuspitzen sollte. Das Land will aber auch Geflüchteten aus der Ukraine ein Impfangebot machen. Bei Bedarf sollen dafür noch mal zusätzliche zehn mobile Einheiten eingesetzt werden, die dann an den Landeserstaufnahmestellen impfen sollen.

Enormer Kostenfaktor Impfen

Mit dem Abbau des Großteils der bisherigen Teams und Stützpunkte will die Regierung aber auch die enormen Kosten drücken. Die im Winter eilig aufgebaute Struktur vor allem für die Booster-Impfungen hat das Land dem Vernehmen nach mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet. Das neue Konzept soll laut der Kabinettsvorlage bis Ende September mit knapp 55 Millionen Euro zu Buche schlagen. Das Geld soll aus der Rücklage für Haushaltsrisiken kommen. Die neue Impfstrategie ist auf Arbeitsebene schon zwischen Sozial- und Finanzministerium abgestimmt. Nun müssen noch die anderen Ressorts bis Mittwoch zustimmen, dann soll es im Umlaufverfahren genehmigt werden.

Das Land hatte wegen des weitgehenden Leerlaufs im letzten Sommer und Herbst die Impfzentren mit großen Kapazitäten zugesperrt und auf mobile Teams umgestellt. Doch dann kam in der vierten Corona-Welle mit der Delta-Variante der hohe Bedarf an Booster-Impfungen. In den Kreisen wurden ab November Impfstützpunkte aufgebaut, um der Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen nachkommen zu können. Mittlerweile sind in Baden-Württemberg gut 8,2 Millionen Menschen zweimal geimpft, das sind 74 Prozent. Geboostert sind knapp 6,3 Millionen Menschen im Südwesten – das sind etwa 57 Prozent.

Doch zuletzt kam die Impfkampagne nur noch in Trippelschritten voran. Experten und Politik mahnen weiter, dass nur eine Dreifachimpfung gegen einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung schützt. Doch schon seit Wochen lassen sich kaum noch Menschen immunisieren. Dennoch gibt es einige Faktoren, die in absehbarer Zeit breite Impfangebote nötig machen könnten. So könnte es eine neue Virusvariante oder einen Omikron-Impfstoff geben. Diskutiert wird auch eine vierte Impfung für breite Bevölkerungsgruppen im nächsten Herbst. Unklar ist auch noch, ob die Impfpflicht nun wirklich kommt.

Land sieht Ärzte ab Herbst verstärkt in der Pflicht

Nach und nach will sich das Sozialministerium aus der Organisation der Impfungen wieder zurückziehen. „Es geht derzeit davon aus, dass die Sicherstellung der Impfaufgabe ab dem 1. Oktober 2022 im Rahmen der vertragsärztlichen Regelversorgung über die Krankenkassen oder die Kassenärztliche Vereinigung erfolgen kann“, heißt es in der Kabinettsvorlage. Die Strukturen zur Schaffung einer ausreichenden Angebotsgrundlage seien vorhanden, jetzt müsse nur noch der Bund das auch rechtlich umsetzen.

Da das Land aber davon ausgeht, dass dies noch länger dauern könnte, will man übergangsweise weiter Vorkehrungen treffen und bestimmte Strukturen aufrechterhalten. Das Ministerium setzt aber darauf, dass sich der Staat ab dem Frühjahr 2023 aus dem aktiven Impfgeschehen zurückziehen können wird. Das Land müsse jedoch weiterhin dafür Sorge tragen, dass eine Impfinfrastruktur vorhanden sei, die eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung garantiere.

Das neue Konzept setzt auf einer Analyse von Professorin Annegret Kuhn auf, die für ein Monitoring im Auftrag des Ministeriums alle Stadt- und Landkreise besucht hat. In ihrem Bericht an das Landeskabinett schreibt Kuhn, es sei wegen der aktuell sehr niedrigen Nachfrage an Impfungen eine Anpassung der Impfstrategie nötig. „Andererseits ist es wichtig, ein vorausschauendes, robustes Konzept für die Zukunft zu entwickeln.“ Sie empfiehlt, dass bis Ende März 2023 die Verantwortung für die Impfinfrastruktur weiterhin bei Land und Kreisen liegen müsse. Ihre Vor-Ort-Besuche hätten gezeigt, dass die zentrale Koordination derzeit noch nicht von der Ärzteschaft übernommen werden könne.

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