Im Prozess um die Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hat das Landgericht Berlin heute in mehreren Beschlüssen bestätigt, dass beim Mitangeklagten Thomas Bellartz keine E-Mails aus dem Ministerium gefunden wurden. Dessen Anwalt will jetzt Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) als Zeugen laden.
Im Verfahren geht es um angeblich vom Ex-IT-Mitarbeiter Christoph H. gestohlene E-Mails aus dem BMG, die dieser an Bellartz verkauft haben soll. Allerdings haben die Ermittler weder Übergaben belegt, noch Daten auf den bei Bellartz beschlagnahmten Geräten gefunden. Dessen Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner wollte sich das noch einmal von diversen Ermittlern und Vertreten der Staatsanwaltschaft bestätigen lassen.
Doch das Gericht lehnte am heutigen Verhandlungstag sämtliche Anträge auf Ladung der Ermittler ab, was in der Begründung aber ein Teilerfolg für Bellartz/Wegner ist. Denn die wiederholte Vernehmung des Chefermittlers habe „bereits bewiesen“, dass bei Bellartz nichts gefunden worden sei, so das Gericht sinngemäß. Welche Schlüsse das Gericht bei der Beurteilung der Schuldfrage aus den Ermittlungsergebnissen ziehen wird, behalten sich die Richter allerdings für ihre Schlussberatung vor.
Auch beim nächsten Termin werden wieder keine Zeugen vernommen werden. Wegner hat aber einen neuen Antrag gestellt: Er will Bahr als Zeugen laden. Es geht um die Frage, was und wie vor sechs Jahren innerhalb des Ministeriums kommuniziert wurde. Bahr soll bestätigen, dass es Mitarbeitern des BMG auch 2012 nicht gestattet war, in private und behördliche Korrespondenz zu vermischen und dass auch in den von den Ermittlern gesicherten E-Mails keine privaten oder persönlichen Dinge enthalten waren, die unter das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) fallen. Nach dem bisherigen Verhandlungsverlauf darf allerdings bezweifelt werden, dass das Gericht dem Antrag stattgeben wird.
Doch es wird weiter um grundsätzliche Fragen gestritten, wer welche Daten im Ministerium wo abgelegt hat und ob man überhaupt von einem Datendiebstahl sprechen kann, wenn Daten ungesichert auf einem allgemein zugänglichen Server liegen.
So wurde bei der Durchsuchung im BMG am Arbeitsplatz von H. seinerzeit ein USB-Stick beschlagnahmt, auf dem sich Kopien von 2378 E-Mails befanden. Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Diana Nadeborn, erinnerte allerdings daran, dass die Mitarbeiter im BMG ihre E-Mails oftmals gar nicht in ihren persönlichen Postfächern speicherten, sondern auf verschiedenen, für viele zugänglichen Servern. Solche Daten kann man aber laut Strafgesetzbuch gar nicht klauen, so das Argument der Verteidigung. Es fehlt die für den Tatbestand notwendige Überwindung einer technischen Zugangssicherung. Bei den beschlagnahmten Dateien handele es sich zudem um Kopien. Es sei nicht bekannt, woher die Originale stammen und wie diese an ihrem ursprünglichen Ort gesichert waren.
Unabhängig von den Fragen der Daten zweifelte Wegner erneut an, dass es sich um ein ordnungsgemäßes Verfahren handele. Noch Ende August, also fünf Jahre nach Anklageerhebung, seien der Verteidigung wieder mehrere neue Ordner mit Unterlagen überreicht worden und auch das Gericht habe zuvor nicht darauf zugreifen können. Da keine der E-Mails in Bellartz‘ Sphäre gefunden wurden, erbat Wegner erneut einen Hinweis des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, was es denn nun damit auf sich haben soll. Bislang wurde diese Bitte allerdings stets abgelehnt. Wegner rechnet auch diesmal damit: „Es erschließt sich der Verteidigung nicht, warum nicht offen kommuniziert wird, wogegen sich Herr Bellartz verteidigen soll“, so Wegner.
Obwohl seit Monaten keine Zeugen mehr vernommen wurden, ließ sich das Gericht auch auf Nachfrage der Verteidiger nicht in die Karten gucken, wie lange der Prozess noch fortgesetzt werden soll. Zum nächsten Termin am 26. September will das Gericht erneut Beschlüsse zu bereits älteren Anträgen der Verteidigung verkünden. Der Vorsitzende Richter konnte aber nicht versprechen, dass man in der Verhandlungspause alles schaffen werde.
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