Gericht kippt Apotheken-Exklusivvertrag Patrick Hollstein, 29.08.2014 16:11 Uhr
Paukenschlag in Hessen: Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hat entschieden, dass die freie Apothekenwahl nicht durch Exklusivverträge ausgehebelt werden kann. Verhandelt wurde über die Klage eines Apothekers, bei dem die AOK mit Verweis auf ihre Ausschreibung alle abgerechneten Rezepte auf Null retaxiert hatte.
Rainer Schüler, Inhaber der Fliederberg-Apotheke in Darmstadt, hatte von der Kasse alle Abrechnungen über Sterilrezepturen aus dem Dezember auf Null retaxiert bekommen. Da er keinen Zuschlag bei der Ausschreibung bekommen hatte, hätte er aus Sicht der AOK keine Rezepte über Sterilrezepturen mehr beliefern und abrechnen dürfen.
Tatsächlich hatte Schüler alle Rezepte weiter beliefert. Die Patienten hatten ihre Entscheidung schriftlich bestätigt. Gegen die Retaxation der Kasse legte der Apotheker über den Verband daher Widerspruch ein.
Das Gericht gab dem Apotheker in vollem Umfang Recht. Laut Schülers Anwalt Dr. Ulrich Grau von der Kanzlei Dierks + Bohle stellten die Richter „in aller Deutlichkeit“ fest, dass der Versicherte laut Sozialgesetzbuch (SGB V) sich frei unter den zugelassenen Leistungserbringern entscheiden könne. Das gelte auch für die Versorgung mit Zytostatika, da das Patientenwahlrecht an keiner Stelle gesetzlich eingeschränkt werde.
Wenn der Gesetzgeber Exklusivvereinbarungen in diesem Bereich wolle, müssten zunächst die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Die Retaxation der AOK Hessen sei deshalb rechtswidrig gewesen. Der Apotheker hat Anspruch auf Bezahlung seiner abgerechneten Zubereitungen, die ihm nach Ausübung des Patientenwahlrechts zugegangen sind.
Derweil droht den Verträgen der AOK Hessen nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich das Aus: Erst vor kurzem hatten zwei Apotheker ihre Exklusivverträge gekündigt – weil die Onkologen nicht mitspielen.
Schon im Frühjahr hatten mehrere Zuschlagsgewinner angekündigt, ihren Vertrag zu kündigen: Schließlich blieben die in der Ausschreibung ausgelobten Umsätze aus, die Vereinbarungen samt der gewährten Rabatte seien damit unzumutbar, so das Argument.