Apothekertag

Der fast Gemeinsame Bundesausschuss Julia Pradel, 02.10.2015 13:52 Uhr

Berlin - 

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist eines der wichtigsten Gremien in der Gesundheitspolitik – doch die Apotheker sind bislang nicht darin vertreten. Da sich die Delegierten des Deutschen Apothekertages (DAT) in den vergangenen Jahren gegen eine Mitgliedschaft ausgesprochen haben, hat es die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) in diesem Jahr mit dem Vorschlag eines Pharmazeutischen Beirates versucht – damit muss sich nun der zuständige ABDA-Ausschuss beschäftigen.

Mit ihrem Antrag wollte die AKNR die Bundesregierung auffordern, dem G-BA einen Pharmazeutischen Beirat anzugliedern. Dieser soll „durch die wissenschaftliche Fachkompetenz ausgewählter Mitglieder der Bundesapothekerkammer dem G-BA Hilfestellung in pharmazeutischen Fachfragen geben“.

Aus Sicht von Kammerpräsident Lutz Engelen ist es für die Apotheker wichtig, auf dieser Ebene mitreden zu können. Er stellt sich eine feste Institution nach dem Vorbild des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vor.

Die Berliner Delegierte Dr. Kerstin Kemmritz wies darauf hin, dass es im G-BA durchaus schon pharmazeutischen Sachverstand gebe. Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoller, wenn die ABDA zum Anfang mehr Stellungnahmen einreichen würde. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt warnte davor, Stellungnahmen um ihrer selbst Willen zu verfassen.

Zudem fehle oft das Fachwissen, denn oft werde der klinische Einsatz von Arzneimitteln diskutiert, so Schmidt. Ohne einen entsprechenden Beirat sei man aber nicht in der Lage, dazu fundiert Stellung zu beziehen. Wenn das gewünscht sei, müsse die notwendige Expertise entweder aufgebaut oder eingekauft werden. Schmidt beklagte aber auch einen gewissen Ressourcenmangel im Bereich der Klinischen Pharmazie.

Der Vorsitzende des Berliner Apothekervereins, Dr. Rainer Bienfait, zeigte auf, dass die Forderung zwar „ganz nett“ sei, die Umsetzung aber „etwas ganz anderes“. Und selbst wenn der Beirat geschaffen werden – was der Vorsitzende des Apothekerverbands Rheinland-Pfalz Theo Hasse bezweifelte – habe er noch keine Entscheidungsgewalt. Im G-BA hätten Kassen und Leistungserbringer die gleiche Stimmenzahl, die Entscheidung treffe daher der unparteiische Vorsitzende Josef Hecken.

Apotheker Andreas Flöter aus Nordrhein-Westfalen findet, dass auch dicke Bretter gebohrt werden müssen. Er hofft, es es irgendwann gelingt, dass Hecken nicht mehr „die Alleinherrschaft“ hat. Die Chance auf diesen Anfang nicht zu ergreifen, hält er für „grob fahrlässig“. Das sahen die Delegierten anscheinend ähnlich: 219 stimmten für eine Überweisung des Antrags in den Ausschuss.

Der Vorschlag, in den G-BA zu kommen, wurde erstmals 2003 diskutiert. Damals habe die ABDA die Forderung an den Gesetzgeber herangetragen, der ihn abgelehnt habe, berichtete ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz auf dem DAT 2014 in München. 2011 wurde entschieden, den Beschluss nicht weiter zu verfolgen. Schließlich müsse man dann auch zweifelhafte Beschlüsse mittragen.

2011 stellte der Hessische Apothekerverband (HAV) erneut den Antrag auf eine Mitgliedschaft der Apotheker im G-BA, zog ihn aber bei der Hauptversammlung in München zurück. Die AKNR startete 2013 einen neuen Anlauf – ihr Antrag wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt: 158 Delegierte stimmten für die G-BA-Mitgliedschaft, 178 dagegen, 18 enthielten sich.

Die Befürworter des Antrags argumentierten, man solle nicht den Ärzten die Entscheidung über Arzneimittel überlassen. Außerdem sollten die Apotheker im G-BA sein, bevor sie ihr Leitbild entwickelten – auch, um über die Honorierung der neuen Leistungen diskutieren zu können. „Wie sollen wir neue Leistungen zur Honorierung bringen, ohne Präsenz in den Gremien zu haben“, fragte Engelen damals. Die Gegner des Antrags hielten hingegen die Kosten für eine Mitgliedschaft für zu hoch und den Nutzen für zu gering.

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz kritisierte, es sei der falsche Weg, einem Antrag zuzustimmen, von dem man nicht wisse, was die Mitgliedschaft koste und was sie nütze. Daraufhin erarbeitete die ABDA ein 118-seitiges Papier zum Thema, das den Mitgliedsorganisationen eine Woche vor dem DAT 2014 vorgelegt wurde. Parallel wurde im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung einstimmig beschlossen, das Thema nicht mehr zu verfolgen.

Das hielt die AKNR und den HAV nicht ab, in einem gemeinsamen Leitantrag erneut die Mitgliedschaft im G-BA zu fordern. Allerdings ruderten sie im Vorfeld noch zurück und änderten ihren Antrag: Statt der Mitgliedschaft im G-BA forderten sie, dass der geschäftsführende ABDA-Vorstand im Vorfeld des nächsten Apothekertags in Düsseldorf ein Dokument mit Informationen zu Kosten und Finanzierbarkeit vorlegt. Der Antrag wurde mit 213 von 354 Stimmen abgelehnt.

Die Diskussion war damals heftig geführt worden: HAV-Vorstandsmitglied Dr. Detlef Weidemann, inzwischen Verbandsvorsitzender, hatte kritisiert, dass die ABDA-Geschäftsführung nicht die nötigen Daten zur Verfügung gestellt habe, um über die Frage zu entscheiden. Er sprach sich dafür aus, beim nächsten Apothekertag zu entscheiden und den Kollegen bis dahin die Chance zu geben, Pro und Contra abzuwägen.

Karin Graf, Mitglied des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, kritisierte den Antrag und den Angriff Weidemanns mit Blick auf das vorgelegte Papier als „unfair“. Schmitz verwies auf die lange Historie und kritisierte, dass die ABDA einerseits aufgefordert sei, effizient zu arbeiten, aber andererseits gezwungen sei, Anträge mehrfach zu beraten.