OTC-Ausschluss

Gelomyrtol vor dem Bundesverfassungsgericht

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Weil seine Krankenkasse die Kosten für das Erkältungsmittel Gelomyrtol forte seit dem OTC-Ausschluss im Jahr 2004 nicht mehr übernimmt, ist ein Patient bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gezogen. In einem Brief an die Richter verteidigt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Streichung von OTC-Präparaten aus dem Leistungskatalog der Kassen.

Der Patient leidet an chronischer Emphysembronchitis, sein Arzt rät zur Behandlung mit dem Präparat des Phytoherstellers Pohl-Boskamp. Weil die Kassen seit dem GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) die Kosten für OTC-Präparate nur noch für Kinder bis 12 Jahren und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen übernehmen und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Gelomyrtol auch nicht als Therapiestandard für die Behandlung einer schwerwiegenden Krankheit festgelegt hat, muss der Kläger nach eigenen Angaben monatlich rund 30 Euro bezahlen.

Der grundsätzliche Ausschluss der OTC-Präparate verstoße nicht gegen das Gleichbehandlunggebot des Grundgesetzes, schreibt das BMG. Das Ministerium verweist auf die Gesetzesbegründung, nach der die Versicherten mit der teilweisen Übernahme der OTC-Kosten „maßvoll in Sparmaßnahmen“ einbezogen würden. Im Bundestag sei zwar im Nachgang über Änderungen diskutiert worden; der Gesundheitsausschuss habe sich aber gegen Neuregelung zur Entlastungen besonders Betroffener ausgesprochen.

Laut BMG ist es grundsätzlich gerechtfertigt, die Erstattung von der Verschreibungspflicht abhängig zu machen: OTC-Präparate kämen aufgrund ihres geringeren gesundheitlichen Gefährdungspotentials in erster Linie bei geringfügigen Gesundheitsstörungen in Betracht, die medizinische Behandlungsnotwendigkeit sei entsprechend geringer.


Die Forderung des Klägers nach einer Ausnahmeregelung für chronisch Kranke weist das BMG zurück. Die Belastungen träfen alle Versicherten und seien nicht automatisch unzumutbar, wenn Leistungen dauerhaft medizinisch notwendig seien. Zudem könnten die Kosten bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden. Sonderregeln für Chroniker würden dagegen andere Versicherte benachteiligen - etwa Patienten, die dauerhaft Sehhilfen selbst bezahlen müssten.

Gleichzeitig zweifelt das BMG die monatlichen Kosten des Klägers an: Bei Versandapotheken koste der Monatsbedarf rund 20 Euro - der Preiswettbewerb sei seit dem GMG gestiegen, weil seinerzeit nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der Preisbindung entlassen wurden.

Das Sozialgericht Hannover hatte die Klage 2005 zurückgewiesen, das Bundessozialgericht entschied wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zugunsten der Krankenkasse. Ein Termin für die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht steht noch nicht fest. Ein zweites Verfahren, in dem Pohl-Boskamp für eine Aufnahme von Gelomyrtol forte in die Ausnahmeliste des G-BA kämpft, ist derzeit beim Sozialgericht Köln anhängig, ruht aber bis zur Entscheidung aus Karlsruhe.

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