Ablenken, Appellieren, Beschwichtigen – trotz der ausgebufften Taktik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird jetzt gehamstert, was das Zeug hält. Keinen Jahresvorrat an Fiebersaft bunkern? Okay, dann eben den Mindestbedarf für zwölf Monate. Lauterbach bleibt nur noch ein Mittel: Er muss die Hamster-Polizei in die Apotheken schicken.
Die junge Mutter kam Dietmar P. gleich verdächtig vor. Hatte sie beim Betreten der Apotheke noch besorgt und auch erschöpft gewirkt, blickte sie jetzt beim Verlassen verdächtig, ja geradezu verschlagen um sich. Kurze Rücksprache mit der Zentrale. Zugriff!
Na also, zwei Fiebersäfte im Einkaufsbeutel. Z-w-e-i! Dabei hatte der Minister doch klar und deutlich die Devise ausgegeben, dass man maximal eine Flasche zu Hause haben sollte. E-i-n-e. Stand auch im Fünf-Punkte-Plan, der in jeder Apotheke gut sichtbar auszuhängen hatte. Also nicht dass es Engpässe gäbe oder die Lage nicht 100 Prozent unter Kontrolle wäre. Aber, da war die Vorgabe eindeutig: Mehr als e-i-n-e Flasche Fiebersaft durfte keine Familie mit nach Hause nehmen.
Nachdem die Mutter ihre schriftliche Verwarnung unter Tränen in Empfang genommen hatte und ihr Vergehen ans Zentralregister beim BfArM in Bonn gemeldet worden war, durfte sie sich mit ihrer fiebernden Tochter entfernen. Mit e-in-e-r Flache Fiebersaft, versteht sich.
Die zweite Packung brachte Dietmar P. nun in die Apotheke zurück. Bei der Gelegenheit stellte er gleich die PTA zur Rede. Nein, eine angebliche alleinerziehende Nachbarin genüge nicht als Grund, sich über die Lauterbachsche Höchstmenge hinwegzusetzen. Letze Verwarnung. Und bei der Gelegenheit gleich noch einmal die Erinnerung: Importe an Selbstzahler, Rezepturen an Privatversicherte und deutsche Ware an Kassenpatienten.
Dass Dietmar P. so sattelfest in den arzneimittel- und sozialrechtlichen Fragen auftreten konnte, war übrigens der Tatsache geschuldet, dass er eigentlich in der Retaxabteilung einer großen Krankenkasse angestellt war. Lauterbachs Aktionsplan gegen die nicht vorhandenen Engpässe hätte ihn beinahe arbeitslos gemacht, wenn da nicht in letzter Minute noch die Hamster-Polizei eingeführt worden wäre.
Tatsächlich hätten solche stichprobenartigen Kontrollen vor Apotheken noch den Vorteil, dass damit aus dem angeblichen Fünf- wenigstens ein Drei-Punkte-Plan geworden wäre. Die Auflistung lässt sich nämlich bei genauerer Betrachtung ganz gehörig zusammenstreichen, zumindest wenn man mahnende Worte und bereits verabschiedete gesetzliche Regelungen nicht als handfeste Maßnahmen anerkennen will.
So sieht Lauterbachs Plan unter dem politischen Röntgenauge aus:
Entsprechend skurril wirkte der Auftritt von Lauterbach und seinen Gästen, die beim besten Willen nicht viel dazu zu sagen hatten und ein wenig so wirkten, als wären sie vom Minister in Geiselhaft genommen worden. Vielleicht hatte sie auch einfach Punkt 5 hinreichend eingeschüchtert, immerhin war ja die Besonnenheits-Polizei allgegenwärtig.
Wobei es ausgerechnet Lauterbach selbst war, der noch kurz vor dem Treffen weder durch Besonnenheit noch durch sachlichen Realismus glänzte: Im ARD-Morgenmagazin unterstellte er den Apothekerinnen und Apothekern, im Honorarkampf die Patientinnen und Patienten zu verunsichern.
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Statt Herz-Postkarten schicken zahlreiche Kolleginnen und Kollegen jetzt Wutbriefe an Lauterbach und Bundeskanzler Olaf Scholz. Und auch die Ärzte wollen sich „nicht länger verscheißern lassen“. Mit ein bisschen Glück werden die Kontrolleure vor den Apotheken bald wieder abgezogen und in die Poststelle des BMG abgeordnet – zum Briefesortieren. Das wäre doch mal was. Also Stifte raus und Dampf ablassen! Schönes Wochenende.
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