Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat genug von den Protesten der Heilberufe. Er mobilisiert seine Anhängerschaft und ruft in Berlin zur Gegendemo auf.
Da staunten die Veranstalter der Apothekerschaft nicht schlecht: Demo vor dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) am 29. November – von der Polizei abgelehnt. Köln am 22. November – nicht möglich. München am 15. November – nein. Hamburg am 8. November – keine Chance. Was war da los? Krätschte da etwa jemand im Hintergrund dazwischen?
Tatsächlich: Lauterbach hatte sich den geheimen Eskalationsplan der Abda („Überraschungseffekt“) besorgt und schnell an allen Standorten eigene Demos angemeldet. Verärgert nahmen die Organisatoren der Apothekerverbände zur Kenntnis, dass sie umdisponieren mussten. Ein anderer Tag war freilich ausgeschlossen, und so wurden es Hannover und Dortmund, Stuttgart und Dresden. Maultäschle statt Weißwurst, Eierschecke statt Currywurst.
Aber natürlich ging es Lauterbach nicht nur darum, den Apothekerinnen und Apothekern ihren Auftritt in einer echten Metropole zu versemmeln. Ziel war es vielmehr, ein mediales Gegengewicht aufzubauen: Wenn hier schon alle streiken, sollte seine Stimme auch gehört werden. Und vielleicht würde ja die Presse bei all den Kundgebungen und Protestmärschen den Überblick und vor allem das Interesse verlieren. Auf die Idee hatte ihn übrigens die Abda gebracht, die jede Eigeninitiative aus dem Berufsstand – so wie die aus Hessen – als geradezu asozial brandmarkte. Wenn hier einer zum Streik aufrufen und Geschlossenheit einfordern durfte, dann die Profitruppe aus Berlin.
Klar, dass bei den allwöchentlichen Lauterbach-Demos auch im BMG nicht gearbeitet wird. Erstens wollte Lauterbach dem guten Dutzend dubioser Gestalten, die ihm seit Corona die Treue hielten, nicht alleine auf der Straße begegnen. Und dann sollte seine Demo ja auch eine gewisse Manpower vorweisen, zumindest für die Selfies auf X. Und überhaupt: Sollten doch mal alle sehen, was da alles an gesundheitspolitischem Engagement liegen blieb, wenn die gesamte Belegschaft einmal geschlossen die Arbeit verweigert.
Zugegeben, die Gründe für die Wahl der Veranstaltungsorte der Apothekerschaft waren andere: In NRW waren nach dem Apothekerverband Nordhrein diesmal die Kollegen aus Nordrhein dran. Und in Bayern, wo mit dem BAK-Präsidenten und dem DAV-Vorsitzenden bekanntlich zwei berufspolitische Schwergewichte ihre Netzwerke pflegen, wollte man es wohl den Freunden von CSU und Freier Wählerschaft den Anblick wütender Weißkittel auf der Straße ersparen. Ohnehin hatte das Ländle ja beim Protesttag im Juni komplett gekniffen.
So werden Busse organisiert, die die Kolleginnen und Kollegen in die auf der Protesteskala eher weiter hinten angesiedelten Metropolen kutschieren. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht regnet und die Zentralkundgebungen ins Wasser fallen. Schon jetzt zeichnet sich nämlich ab, dass die Mobilisierung eine Herausforderung wird. Am 14. Juni wurde der Protest von einer breiten Basis getragen, was sich in zahlreichen kleineren und größeren Veranstaltungen niederschlug. Diesmal soll es in den Regionen nur eine zentrale Veranstaltung geben, und je weiter die Anreise, desto schwieriger die Motivation. Hinzu kommt, dass es vielfach noch keine konrekten Infos gibt, wann man eigentlich wo sein soll und was einen da erwartet. Flatterband kaufen, Presse einladen, Kommentarspalten fluten, lauten einstweilen die Tipps der Abda. Das Plakat ist auch kein Hingucker geworden – insbesondere wenn man zu den Apotheken gehört, die tatsächlich von der Schließung betroffen sind.
Über einen Zufallstreffer konnte man sich trotzdem freuen: 4000 Euro gab es bei „Wer wird Millionär?“ für die richtige Antwort auf die Frage, wer Protesttage statt Streiks veranstaltet. Und weil die Antwort dank Publikumsjoker richtig war (es waren nicht die Mathelehrer!), erzählte Günter Jauch noch von den zahlreichen Schließungen und der finanziellen Notlage vieler Apotheken. Schade, dass er sonst schon in Diensten von Shop Apotheke steht.
Keine Entspannung gibt es bei den Lieferengpässen, neu hinzugekommen sind etwa Augentropfen. Ein Apotheker hat insgesamt 1400 Packungen gezählt, die bei ihm auf der Defektliste stehen. TK-Chef Jens Baas hat angeblich Zahlen, dass alles halb so wild ist, auch Lauterbach rechnet mit einem entspannten Winter. Klar, muss man sein Nasenspray eben bei DocMorris bestellen. Oder 70 Euro zuzahlen, wie aktuell bei Zostex gegen Gürtelrose.
Statt solche ungerechtfertigten Aufwendungen ihrer Versicherten zu übernehmen, fröhnen die Kassen ihrer alten Leidenschaft: Retaxationen bei Dronabinol nach Lust und Laune, Absetzungen und Klageandrohungen bei Sterilrezepturen. Kein Wunder, dass jede zehnte Apotheke mittlerweile unverkäuflich ist. Und dass die Honorarumverteilung etwas verbessert, glaubt laut aposcope-Befragung auch so gut wie niemand. Wobei Lauterbach ohnehin ein „Ungenügend“ für seine gesamte Reform kassiert. Setzen. Schönes Wochenende.
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