ApoRetrO – Der satirische Wochenrückblick

Gefangen in der Notdienst-Matrix

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Berlin -

Apotheker Max Schneider arbeitet sich durch eine hektische Silvesternacht im Notdienst. Gegen 4 Uhr morgens beruhigt sich die Lage allmählich. Doch dann fällt die IT plötzlich aus, die Systeme starten neu, und eine Meldung erscheint auf dem Zentralcomputer im Backoffice: „Aktualisierung: KI-generierte Notdienst-Planung optimiert.“ Verwirrt starrt der Apotheker auf den Bildschirm: Er ist nunmehr für eine gesamte Woche durchgehenden Notdienst eingeplant.

Ein kalter Schauer läuft dem Apotheker den Rücken hinunter: Konnte das wirklich sein? Nein, wohl kaum. Die KI musste sich verrechnet haben, vielleicht war auch irgendein Server gehackt worden? Hektisch greift er zum Telefon, um sich Klarheit zu verschaffen. Als er jemanden bei der Kammer erreichte, ist er schockiert: „Sie sind nicht der Einzige, aber wir können nichts mehr ändern.“

Schneider starrt auf seinen Bildschirm, auf dem die Hiobsbotschaft noch aufflackert. „Die KI hat neu gerechnet“, erklärt sein Gesprächspartner. „Das ist der optimale Notdienstplan, alles wurde auf Effizienz umgestellt.“ Schneider lässt das Telefon sinken; das kann doch alles nicht wahr sein.

Ab Januar sollte eigentlich eine KI-gesteuerte Notdienstplanung dafür sorgen, dass trotz der niedrigen Apothekendichte in seiner Region niemand mehr als 20 Kilometer zur nächsten Notdienstapotheke fahren muss. Aber das kann doch kaum bedeuten, dass er für eine Woche in der Apotheke gefangen ist! Schließlich stand die Planung doch bereits seit mehreren Wochen im Voraus. Seltsam.

Der Apotheker hat das Gefühl, seinem Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein. Also arbeitet er einfach weiter: Gibt Antibiotika heraus, verkauft Nasenspray und bearbeitet dringende Rezepte aus der Ambulanz. Anruf zu Hause: „Es wird später, Schatz. Wann? Weiß ich noch nicht.“ Der Dienst zieht sich endlos in die Länge: Schneider ist mittlerweile so erschöpft, dass er nicht mehr weiß, welcher Tag überhaupt ist oder wie lange er schon im HV steht.

Immer wieder fällt seine TI aus, nur um ihm dann ein neues Update des KI-generierten Notdienstplans zu präsentieren. Versuche, über den technischen Support, die Kammer oder die Gematik irgendeine Hilfe zu bekommen, führten stets zum selben Ergebnis: Es liege kein Fehler vor, der Plan sei lediglich erneut optimiert worden.

Schneider fühlt sich, als wäre er in einer endlosen Schleife gefangen – stundenlanges Warten, ständige Anpassungen und die fortwährende Sorge, dass sich der Notdienst immer weiter verlängern könnte. Der Dienst läuft einfach weiter, und irgendwann bemerkt er, dass es draußen bereits hell geworden ist – um kurz darauf festzustellen, dass die Nacht erneut hereinbricht. Kurzum: Er ist in der Notdienst-Matrix gefangen.

Seit Anfang des Jahres setzt das Land Bayern tatsächlich auf eine KI-gesteuerte Notdienstplanung, die sicherstellen soll, dass 92 Prozent der Bevölkerung eine Apotheke im Umkreis von 20 Kilometern erreichen. Auch in Baden-Württemberg wird diese KI-Unterstützung bereits verwendet. Doch Dr. Gundula Weigand, Inhaberin der Stadtapotheke Bad Königshofen, kritisiert, dass in ihrer Region Patienten aufgrund hoher Apothekenschließungen und ungünstiger Verteilung der Dienste teilweise fast 40 Kilometer fahren müssen. Sie bemängelt auch die kurzfristige Mitteilung der Änderungen, wodurch die Widerspruchsfrist sehr knapp ausfiele.

Tatsächlich haben bundesweit viele Apothekerinnen und Apotheker mit ihren Teams einen wahren Notdienst-Marathon zum Jahreswechsel hinter sich gebracht. Für das Ehepaar Lange ging der Neujahrsnotdienst direkt in den normalen Apothekenalltag über, weil niemand da war, der Inhaberin Birte-Maria Langer am HV hätte ablösen können. Allein in den ersten sechs Stunden bediente sie rund 100 Kunden; die nächste Notdienst-Apotheke war rund 25 Minuten entfernt. Auch in Hessen wurde der Notdienstkreis erweitert: Dr. Nojan Nejatian bedeutete der 31. Dezember Dienstbereitschaft statt eines gemütlichen Jahresausklangs im Familienkreis. Da der Notdienstkreis erweitert wurde, kamen auch bei ihm Patienten aus bis zu 25 Kilometer Entfernung. Trotz der vielen Patienten und der hohen Belastung blieb der finanzielle Ertrag gering. „Ich habe einen Kassenschnitt von 0 Uhr bis zum Dienstende um 9 Uhr gemacht. Es sind schlappe 57 Euro Rohertrag dabei herausgekommen“, ärgert er sich.

Und auch darüber hinaus hatten Apotheken deutschlandweit über die Feiertage alle Hände voll zu tun: In der Janssen-Apotheke im Harz verletzte sich der Botenfahrer nach einem Unfall kurz vor Weihnachten, weshalb der Botendienst vorübergehend ausgesetzt werden musste. In Berlin wurde die Pommern-Apotheke in der Silvesternacht nach einer Explosion einer Kugelbombe geplündert, mehrere Personen kamen zu Schaden. Und zu allem Überfluss begann das Jahr in der Avesana Zwingli-Apotheke in Dresden mit einem Totalausfall der E-Rezept-Anbindung. Aufgrund eines fehlenden Updates funktionierte der Konnektor nicht, sodass Kunden mit E-Rezepten weggeschickt werden mussten.

Na, dann kann doch jetzt nichts mehr schiefgehen. In diesem Sinne: Einen guten Start ins neue Jahr und ein schönes Wochenende!

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