Gefakter Lebenslauf: SPD-Politikerin gibt auf Lothar Klein, 20.07.2016 12:49 Uhr
Manchmal haben Lügen erstaunlich lange Beine. Jetzt ist die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz nach jahrelangen Täuschungen doch noch über ihren in wichtigen Punkten gefälschten Lebenslauf gestolpert. Sie hat weder Abitur noch Jura studiert, wie behauptet. Der betrügerische Lebenslauf ist von ihrer Internetseite gelöscht. Stattdessen steht dort jetzt eine Entschuldigung. Und die Essener Bundestagsabgeordnete kandidiert nicht mehr für den Bundestag; ihr Mandat hat sie inzwischen ebenfalls niedergelegt. Die SPD hätte sie wohl auch nicht mehr gelassen.
Im inzwischen gelöschten Lebenslauf hatte Hinz angegeben, 1984 ihr Abitur gemacht und von 1985 bis 1995 Rechts- und Staatswissenschaften studiert zu haben. Anschließend habe sie als Juristin gearbeitet. Inzwischen stehen im Lebenslauf auf der Seite des Bundestages gänzlich andere Angaben: „1983 Fachhochschulreife, im Anschluss einjähriges Praktikum bei der Sparkasse. 1985 bis 1987 Ausbildung zur Moderatorin für den Bereich Moderation und Kommunikation. 1999 bis 2003 im Bereich Immobilien- und Standortentwicklung.“
Seit 1980 ist Hinz Mitglied der SPD, seit 1982 in unterschiedlichen Funktionen und Ebenen tätig, unter anderem 2003 bis 2016 als stellvertretende Unterbezirksvorsitzende. 1989 bis 2005 war sie Mitglied im Rat der Stadt Essen, von 2004 bis 2005 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Bei der SPD hat sich offenbar niemand für die Biografie der aufstrebenden Politikerin interessiert.
So schaffte sie sogar 2005 den Sprung in den Bundestag. 2013 gelang ihr die Rückkehr nur über die Landesliste der NRW-SPD. Ihren Wahlkreis hatte sie verloren. Für die SPD ist sie im Bundestag Obfrau im Rechnungsprüfungsausschuss und ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss – beides interessante und wichtige Positionen. Als stellvertretendes Mitglied kümmert sie sich im Gesundheitsausschuss auch um den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums.
Über SPD-Altkanzler Gerhard Schröder hat der frühere CSU-Landesgruppenchef Michael Glos einmal gelästert: Wer seine Haare färbt, der fälscht auch Bilanzen. Was würde Glos nun wohl über Petra Hinz sagen?
Aufgedeckt hat die Lügengeschichte die im Ruhrgebiet erscheinende Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ). Die Zeitung war Gerüchten nachgegangen, hatte sich auf die Spur der Essener Abgeordneten gemacht und in den Abiturlisten ihres Jahrganges den Namen Hinz nicht gefunden. Durch Nachfragen unter Druck geraten, musste sie die Fälschung ihres Lebenslaufs einräumen. Ihre Anwälte bitten nun in ihrem Namen „ihre Wegbegleiter, ihre Mitarbeiter, ihre Freunde und Familie, all die Menschen, die ihr vertraut haben, und auch die allgemeine Öffentlichkeit von ganzem Herzen um Entschuldigung.“
Das politische Engagement von Frau Hinz sei aber immer „von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt“ gewesen. „In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit“, so die Anwälte weiter. Mitte der 1990er Jahre habe Hinz den Versuch unternommen, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachzuholen und so zumindest einen Teil ihrer bio-grafischen Falschangaben zu heilen. Damit scheiterte sie jedoch nach zwei Jahren.
In der Essener SPD war kürzlich zudem ein anonymer Brief eingegangen, in dem vermutlich ein Mitarbeiter der 54-jährigen Abgeordneten „irrsinnige Schikanen“, „persönliche Erniedrigungen“ mit „psychischen und physischen Folgeschäden“ für mehrere Mitarbeiter vorhielt.
Auch darüber berichtete die WAZ. Dagegen wehrt sich Hinz auf ihrer Internetseite: Als Bundestagsabgeordnete habe sie die Verpflichtung, ihre volle Leistungskraft der Wahlkreis- und Parlamentsarbeit und damit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu widmen.
In gleicher Weise könnten Bürger jedoch verlangen, dass auch die Mitarbeiter der Abgeordneten sich im Rahmen ihres Vertrages und ihrer Leistungsfähigkeit in vollem Umfang einbringen. Hinz: „Dazu werden sie nach den Grundsätzen und Tarifen des Bundestagspräsidiums ordentlich bezahlt. Wer das anders sieht, möchte vielleicht lieber Vetternwirtschaft und Schlendrian im Bundestag sehen. Mein Verständnis von Parlamentsarbeit ist das nicht.“