Wenn Kunden in die Apotheke kommen, die nur zu Gast im Ort sind, kann es kompliziert werden: Je nach Kasse gelten andere Rabattverträge, die Importquote ist mitunter unwiederbringlich ruiniert. Einen Apotheker aus Nordrhein-Westfalen traf es besonders hart: Er wurde von der Audi-BKK um die Erstattung gebracht, weil er eine Patientin aus einem anderen Bundesland mit Zytostatika versorgt hatte. Der Schaden sollte etwa 2000 Euro betragen.
Die Patientin aus Bayern war im Februar 2017 zur einer stationären Reha in Ostwestfalen. Da sie auch weiterhin mit dem Zytostatikum Trastuzumab behandelt werden musste, stellte der behandelnde Münchner Onkologe entsprechende Rezepte aus. Diese löste die Patientin in der Apotheke in NRW ein.
Der im Rahmen der Zyto-Ausschreibung von DAK und GWQ geschlossene Vertrag erlaubte zum damaligen Zeitpunkt keine Belieferung der Rezepte durch die Apotheke in NRW. Das Bundesgebiet war in 322 Gebietslose aufgeteilt worden, jeder Bieter sollte maximal acht Zuschläge erhalten. Mit diesem dichten Apothekennetzwerk sollte die wohnortnahe Versorgung gesichert werden. Etwa 150 Vertragspartner, darunter Einzelapotheken und Bietergemeinschaften, hatten Zuschläge erhalten.
Nur dass Patienten ihren Sprengel gelegentlich verlassen, konnte bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt werden. Der Apotheker aus Ostwestfalen war natürlich nicht berechtigt, die Reha-Patienten aus dem fernen München zu versorgen. „Die Substanz muss frisch hergestellt werden und ist nur drei Stunden haltbar. Wie hätte das die lieferberechtigte Apotheke machen sollen?“, fragt sich der Apotheker.
Die Audi-BKK zeigt sich davon unberührt. „Anhand der sogenannten Betriebsstättennummer (BSNR) wird der Ort der Leistungserbringung eindeutig identifiziert und ist auf dem Rezept vermerkt. Die Versorgung mit Zytostatika muss entsprechend der Gebietslose und zugeordneten BSNR beziehungsweise Postleitzahl erbracht werden“, teilt ein Sprecher der Kasse mit. Aus Sicht der Kasse, hätte die Klinik liefern müssen.
Mit anderen Kassen habe er stets eine Lösung gefunden, sagt der Apotheker. Nur die BKK sei nicht zu einem Einlenken zu bewegen gewesen. Er ist froh, dass so ein Fall jedenfalls vorerst nicht wieder vorkommen wird: Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) im März 2017 hatte die Bundesregierung Ausschreibungen für die Zyto-Versorgung verboten. Die Exklusivverträge hätten zu einem Wirrwarr in onkologischen Praxen und Apotheken geführt und den Patienten das Recht auf die freie Apothekenwahl genommen. Seitdem sind die Kassen zu Open-house-Verträgen übergegangen, an denen sich interessierte Apotheken zu bestimmten Tarifen beteiligen können.
Parallel wurden der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die Kassen vom Gesetzgeber beauftragt, die Hilfstaxe neu zu verhandeln. Das Thema erhitzt seit dem Schiedsspruch die Gemüter, Apotheker fordern die Kündigung durch den DAV. Aber selbst bei einer ordentlichen Kündigung mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende verliert die Hilfstaxe ihre Gültigkeit erst mit einer neuen Vereinbarung. Was bleibt, ist eine außerordentliche Kündigung für einzelne Wirkstoffe mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende – vorausgesetzt, es liegen geeignete schriftliche Belege vor und der ausgewiesene Durchschnittspreis wird um mehr als 10 Prozent überschritten.
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