Gastkommentar

Zyto-Pfusch: Warnschuss aus Bottrop

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Berlin -

Der Fall des Bottroper Pfusch-Apothekers hat die Branche aufgeschreckt. Es ist ein Einzelfall. Will man sich der Wirklichkeit der Arzneimittelversorgung nähern, darf man nicht reflexartig wegsehen, sondern muss den Finger in die Wunde legen, dorthin, wo es beginnt, weh zu tun, findet Apotheker Dr. Franz Stadler, Inhaber der Sempt-Apotheke im bayerischen Erding.

Gott sei Dank sind Fälle wie der des Bottroper „Todesapothekers“, kürzlich eine Schlagzeile der Bild-Zeitung, die Ausnahme. Diese „ApothekerInnen“ sind, sollten die Vorwürfe zutreffen, ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Es reicht aber auch nicht, sich schützend vor den Rest einer Branche zu stellen, deren Akteure inzwischen fast ausschließlich von finanziellen Aspekten gesteuert werden und die Arzneimittelsicherheit hintenanstellen.

Dieser Vorwurf richtet sich nicht nur gegen die nebenberuflichen ApothekerInnen, die ihren nichtapprobierten Angestellten unbeaufsichtigt ihre Apotheken überlassen, nicht nur gegen die ApothekerInnen, die sich klammheimlich freuen, wenn sie wieder einmal ein rechtliches Schlupfloch bei der Abrechnung gefunden haben oder es ihnen gelingt, Klinikware in den ambulanten Bereich zu schleusen.

Er richtet sich nicht nur gegen alle diese ApothekerInnen, die sich als Strohmänner/Strohfrauen für die zweifelhaften Geschäfte geldgieriger Großunternehmer hergeben, denen Arzneimittel eine beliebige und austauschbare Ware sind – nein, er richtet sich auch gegen die Krankenkassen und die Sozialgerichte, die ständig eine Diskussion um die richtige Gewichtung zwischen Wirtschaftlichkeitsgebot und Arzneimittelsicherheit führen.

Der Autor war erst vor Kurzem Zeuge eines denkwürdigen Auftrittes der AOK Bayern vor dem Sozialgericht München. Es ging um Verwürfe von Zytostatikaanbrüchen, die streng nach Hilfstaxe abgerechnet, aber wegen angeblicher längerer Haltbarkeiten, wie sie nicht valide Datenquellen behaupten, von der AOK Bayern nicht bezahlt werden. Besonders betroffen macht dabei das Argument der AOK, Apotheker wollten sich an den Verwürfen bereichern.

Das mag zwar für die Hersteller und deren marketingorientierte, aber pharmazeutisch falsch dimensionierte Packungsgrößen und möglicherweise bewusst sehr kurzen Haltbarkeitsangaben ihrer Produkte zutreffen, aber eben gerade nicht für die hier betroffenen, zubereitenden Apotheker. Verwürfe werden von der AOK Bayern in vielen Fällen seit Jahren nicht bezahlt und trotzdem verwerfen Apotheker, wo nötig, weiter bei Ablauf der Haltbarkeiten Restmengen.

Denn hier geht es ausnahmslos um die Arzneimittelsicherheit. Diese Apotheker möchten für ihre Patienten auch die Haftung der Hersteller für die Wirksamkeit des Arzneimittels sicherstellen und halten sich deshalb penibel an die Herstellerangaben zur Gebrauchsfertigmachung. Die Haftung für die Wirksamkeit der Arzneimittel können verantwortungsvolle Apotheker nicht so einfach vom Hersteller übernehmen und sie sollten sich auch von der großen AOK Bayern nicht dazu zwingen lassen.

Trotzdem ziehen sich mehrere Sozialgerichtsverfahren bereits Jahre hin, bei denen es eigentlich nur um die Frage geht: Was hat Vorrang, die Arzneimittelsicherheit oder das Wirtschaftlichkeitsgebot? Und bedauerlicherweise (warum wohl?!) haben sich, nach Aussage der AOK-Vertreter vor Gericht, bereits viele bayerische Apotheken umorientiert: zugunsten des Wirtschaftlichkeitsgebotes und ohne die betroffenen Patienten über diesen Sinneswandel zu informieren.

Muss das so sein? Sollte diese Frage nicht eindeutig und schnell zu Gunsten der Arzneimittelsicherheit und für den Patientenschutz entschieden werden?

Es muss endlich wieder klar sein, dass die Arzneimittelsicherheit Vorrang hat, dass unser Berufstand zuerst Heilberufler und erst in zweiter Linie Kaufmann ist. Erst dann werden Skandalfälle der Vergangenheit angehören.

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