Mit seiner „Zeitenwende im Gesundheitswesen“ will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) völlig neue Versorgungsstrukturen schaffen. Doch der große Aufschrei blieb bislang aus, obwohl man Lauterbach unter Verweis auf „englische Verhältnisse“ leicht in die Ecke drängen könnte. Unter den Vertretern der Heilberufe ist es vor allem der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, der klare Worte findet: Er warnt vor dem radikalen Umbau der ambulanten Versorgung und fordert Lauterbach nachdrücklich auf, seine Pläne diesbezüglich fallenzulassen.
„Unsere Patientinnen und Patienten wollen keine KI-gelenkte Staatsmedizin, sondern die Sicherung ihrer bewährten Versorgung in ihren haus- und fachärztlichen und psychotherapeutischen Praxen“, so Gassen bei der Vertreterversammlung. Die Praxen seien nicht zuletzt wertvoller sozialer Kitt in einer Gesellschaft, die zunehmend auseinanderfalle.
Lauterbach selbst spreche davon, dass er das ganze Gesundheitssystem umkrempeln wolle. Das Ministerium liste derzeit 15 Gesetze auf, die er möglichst noch vor der Sommerpause in knapp zwei Monaten ins Kabinett bringen wolle. Dass Lauterbach immer wieder beteuere, er wolle die Versorgung in den Praxen stärken, seien reine Lippenbekenntnisse, so Gassen. Der Minister habe eigentlich andere Pläne. So schlage die Krankenhauskommission in ihrer jüngsten Stellungnahme vor, dass „nicht primärärztliche Fachärztinnen und Fachärzte nur noch an oder in Kooperation mit Krankenhäusern“ tätig sein sollten.
Die Krankenhäuser würden immer weiter für ambulante Leistungen geöffnet. Es müsse jedem klar sein, welche Ideologie und welches strategische Ziel dahinterstehe, so Gassen. „Nämlich eine Zentralisierung unseres Gesundheitswesens nach skandinavischem oder britischem Vorbild und die Vernichtung der wohnortnahen Grundversorgung in inhabergeführten Praxen“, so Gassen. „Die Praxis um die Ecke wird damit zum Relikt – oder zur privatärztlichen Option für Besserverdienende, wie etwa im NHS-gebeutelten Großbritannien.“
Gassen appellierte an Lauterbach: „Vergraben Sie Ihre Papiere zum Umbau des deutschen Gesundheitswesens wieder in den Kellern, in denen sie lagen, seit Ulla Schmidt das BMG verlassen musste. Staatsmedizin war und ist eine Totgeburt. Sie schafft eine gewaltige Benachteiligung, gerade von Menschen, die unser Gesundheitssystem besonders brauchen!“
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