Ehemaliger SPD-Chef wechselt in Wirtschaft

Gabriel wird Aufsichtsrat bei Deutscher Bank

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Berlin -

Die Deutsche Bank holt den ehemaligen SPD-Chef und Ex-Vize-Kanzler Sigmar Gabriel in ihren Aufsichtsrat. Deutschlands größtes Geldhaus hat nach eigenen Angaben am Freitag einen Antrag zur Bestellung des 60-Jährigen beim Amtsgericht Frankfurt eingereicht. Gabriels Nominierung löste bei der Opposition Empörung aus. Die SPD, deren Parteichef Gabriel von 2009 bis 2017 war, äußerte sich ausdrücklich nicht zu der Personalie. Auch der linke Parteiflügel schwieg. Die Bundesregierung wollte das Aufsichtsratsmandat nicht kommentieren.

Zustimmung kam aus dem Gewerkschaftslager, das grundsätzlich in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen vertreten ist. Die Deutsche Bank baut gerade radikal um: Bis 2022 sollen rund 18.000 Stellen gestrichen werden. Nicht nur wegen dieser Pläne dürfte Gabriels Schritt in Teilen der SPD für Unmut sorgen.

Bei der Hauptversammlung am 20. Mai soll sich Gabriel den Aktionären zur Wahl stellen. Er soll im Kontrollgremium des Dax-Konzerns Jürg Zeltner ersetzen. Zeltner hatte den Posten Ende 2019 kurz nach seiner Berufung geräumt, nachdem die Aufsicht Vorbehalte gegen die Bestellung des Ex-UBS-Managers geäußert hatte.

Gegen Gabriels Berufung gibt es von der Finanzaufsicht Bafin keinen Widerspruch. „Aufsichtsichtlich stellt sich nur die Frage der hinreichenden Sachkunde“, sagte Präsident Felix Hufeld. „Die kann bei einem ehemaligen Vorsitzenden des KfW-Verwaltungsrates und Wirtschaftsminister ohne Weiteres bejaht werden.“

Aufsichtsratschef Paul Achleitner äußerte sich erfreut, dass die Bank „einen überzeugten Europäer und Transatlantiker“ gewonnen habe: „Als ehemaliger Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister wird Sigmar Gabriel mit seinem großen Erfahrungsschatz einen besonderen Beitrag leisten und unsere Kompetenz im Aufsichtsrat ergänzen.“ Gabriel wurde mit den Worten zitiert: „Mit einer nun klaren Strategie und ihrem starken Führungsteam hat die Deutsche Bank als eine der wichtigsten Finanzinstitutionen in Europa die Chance und die Verantwortung, die Zukunft der deutschen und europäischen Wirtschaft mitzugestalten. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten.“

Gabriel gehörte dem Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in verschiedenen Funktionen neun Jahre lang an. Von Dezember 2013 bis März 2018 war er Vizekanzler. Sein Bundestagsmandat hatte Gabriel im November abgegeben und dafür „sehr persönliche Gründe“ genannt. Seit seinem Rückzug aus der Bundesregierung ist er in verschiedenen internationalen Gremien und Organisationen aktiv.

Wechsel früherer Spitzenpolitiker in die Wirtschaft sorgen regelmäßig für Kritik. Mit rechtlichen Problemen muss Gabriel beim Wechsel in die Wirtschaft nicht rechnen: Das Bundesministergesetz sieht lediglich vor, dass Mitglieder der Bundesregierung „innerhalb der ersten 18 Monate nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes“ anzeigen müssen. Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer verwies auf die Karenzzeit. Für Gabriel sei die Frist am 14. September abgelaufen.

Der ehemalige Verdi-Chef Frank Bsirske begrüßte die Nominierung Gabriels. „Vor dem Hintergrund seiner internationalen Erfahrungen und Vernetzung wie auch seiner Expertise in Nachhaltigkeitsfragen kann der Einsatz von Sigmar Gabriel eine sinnvolle Ergänzung des Aufsichtsratsgremiums sein“, sagte Bsirske. Der frühere Gewerkschaftsvorsitzende sitzt selbst als Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Deutschen Bank.

Die Organisation abgeordnetenwatch.de forderte eine längere Karenzzeit. „Für Seitenwechsel in die Wirtschaft braucht es dringend ein Verbot von mindestens drei Jahren. Es muss für Konzerne unattraktiv werden, hochrangige Politikerinnen und Politiker als Türöffner einzukaufen“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel.

Gabriel ist nicht der erste hochrangige Ex-Politiker, der nach seiner politischen Tätigkeit in die Wirtschaft wechselt. Sein Parteigenosse Gerhard Schröder übernahm nach seinem Abschied aus dem Kanzleramt 2005 später unter anderem den Aufsichtsratsvorsitz bei der vom russischen Konzern Gazprom dominierten Ostsee-Pipeline-Betreiber Nord Stream. Die frühere CDU-Politikerin Hildegard Müller führt inzwischen den Verband der Automobilindustrie (VDA). Und auch der frühere VDA-Präsident Matthias Wissmann (CDU) war vor seiner Arbeit als Lobbyist politisch aktiv, zuletzt als Bundesverkehrsminister.

Auch frühere Spitzenpolitiker von Grünen und FDP sind in die Wirtschaft und zu Lobbyistenvertretungen gewechselt. Zuletzt wurde unter anderen die frühere Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Philipp Rösler, früherer FDP-Chef, Ex-Vizekanzler und einstiger Bundeswirtschafts- und -gesundheitsminister sitzt in mehreren Aufsichtsräten – etwa beim Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers und dem finnischen Energieversorger Fortum.

Ex-Gesundheitsminister Daniel Bah (FDP) ist mittlerweile Vorstand bei der Allianz. „Politiker kommen nicht aus dem Nichts und sie gehen auch nicht in das Nichts“, sagte Bahr 2014 im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ): „Meine Ausbildung und mein Engagement in den vergangenen Jahren für das Gesundheitswesen führen für mich logisch dazu, dass ich in diesem Bereich auch weiter tätig bin. Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde, wo ich mich ja nicht auskenne.“

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