G20-Krawalle

Randale-Apotheke: SPD-Chef zu Besuch

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Berlin -

Schanzenviertel statt Hafenrundfahrt: Auf seiner Sommerreise macht Martin Schulz in Hamburg Station – und spricht mit denen, die besonders unter den G20-Krawallen gelitten haben. Auch Maurice Khalil, Inhaber der Apotheke am neuen Pferdemarkt, konnte dem SPD-Kanzlerkandidaten schildern, wie er die Straßenschlachten am Rande des G20-Gipfels erlebte. Der Apotheker zeigte sich erschüttert über die Gewaltbereitschaft der Demonstranten, verteidigte aber die alternative Szene im Schanzenviertel.

Eigentlich waren der Besuch eines Containerterminals und eine Hafenrundfahrt für den Abschluss der Sommerreise des SPD-Kanzlerkandidaten geplant. Doch nach den schweren Krawallen der vergangenen Woche war wohl nicht daran zu denken, das ursprüngliche Programm durchzuziehen. Stattdessen ging Schulz ins Schanzenviertel, dorthin also, wo in der Nacht von Freitag auf Samstag mehrere Stunden lang Anarchie herrschte.

Umringt von einem Pulk Journalisten besuchte Schulz unter anderem die Apotheke am neuen Pferdemarkt. Vor der Apotheke von Maurice Khalil spielten sich am Rande des G20-Gipfels kriegsähnliche Szenen ab. Denn sie liegt an einer Kreuzung, wo die Schanzenstraße, das Schulterblatt und der Neue Pferdemarkt aufeinandertreffen. Bilder, die zeigen, wie Krawallmacher vom Dach des gegenüber liegenden Hauses die Polizei und die Menschen auf den Straßen mit Steinen und brennenden Gegenständen bewerfen, gingen in den vergangenen Tagen durch die Medien.

Einen solchen faustgroßen Stein drückte der Apotheker dem SPD-Kanzlerkandidaten in die Hand. Etwa eine Viertelstunde habe sich Schulz genommen, um die Schilderung von Khalil anzuhören. Besonders wichtig war es dem Apotheker, dem SPD-Politiker deutlich zu machen, dass viele der Randalierer nicht aus dem Viertel stammten, sondern russisch, schweizerisch oder spanisch gesprochen hätten.

Die Apotheke von Khalil wurde wie durch ein Wunder nur leicht beschädigt. „Unsere Scheibe hat einige Risse und auch ein Auto, das im Hinterhof geparkt war, wurde angegriffen“, erzählte er APOTHEKE ADHOC. Sowohl die Motorhaube als auch das Dach des Botenautos seien stark beschädigt. Einbußen musste er auch beim Umsatz verbuchen. „Das ganze Viertel war ja schon ab Mittwoch komplett abgeriegelt. Ich hatte mehrere Tage lang fast gar keine Kunden“, sagte er. Der Apotheker schätzt den Schaden auf mehrere Tausend Euro.

Im Vorfeld des G20-Gipfels hatte der Apotheker keine Angst vor Ausschreitungen. Noch nie habe er seine Apotheke verbarrikadiert. Trotzdem sei nie etwas passiert. „Hier gibt es ja anlässlich des Schanzenfestes oder am 1. Mai häufiger Krawalle“, sagt er. Gewalt richte sich aber normalerweise gegen größere Geschäfte, wie die Sparda-Filiale oder die Filiale der Drogerie-Kette Budnikowski. „Kleine Geschäfte werden in der Regel in Ruhe gelassen“, sagt er. Es sei ein kleines Viertel. Man kenne sich gut.

Als die Gewalt auf den Straßen eskalierte, war Khalil in der Apotheke. „Erst als ich die Krawalltouristen mit Handys gesehen habe, habe ich mir Sorgen gemacht und habe wie viele andere Geschäftsinhaber beschlossen, auch nachts in der Apotheke zu bleiben“, berichtet er. Alle Händler hätten solidarisch und gegenseitig auf ihre Geschäfte aufgepasst und versucht, die radikalen Chaoten davon abzuhalten, sie zu beschädigen.

„Ich habe eine historische Einrichtung, die sehr wertvoll ist“, sagt der Apotheker stolz. „Ich wollte sie schützen.“ Dass, die Apotheke am Neuen Pferdemarkt gewiss zu den schönsten Apotheken Deutschlands gehört, konnte man zuletzt in dem Werbefilm des Wort & Bild-Verlags „Danke, Apotheke!“ sehen. Ein Teil des Spots spielte in der Apotheke von Khalil.

Im Eifer des Gefechts hat sogar der Apotheker einen Schlag mit dem Schlagstock der Polizei abgekriegt, als er zu seiner Apotheke wollte. Doch von Vorwürfen gegenüber den Gesetzeshütern will er nichts hören. „Die Polizei wurde sehr stark angegriffen“, berichtet er. „Es war Nacht und es herrschten wirklich kriegsartige Zustände.“ Für die Polizei sei es unmöglich gewesen, in der Masse der Randalierer einzelne friedliche Anwohner zu unterscheiden, zumal sie vorher aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben. „Ich konnte ihnen aber recht schnell erklären, wer ich bin, und wurde auch zur Apotheke durchgelassen“, sagt Khalil.

Sorgen macht sich der Apotheker um die Zukunft des alternativen Viertels, wenn sich „gewisse Strömungen“ durchsetzen. Damit meint der Apotheker die Forderungen, die Rote Flora zu schließen. „Ich liebe dieses Viertel“, bekennt der Apotheker, dessen Familie seit rund 50 Jahren im Schanzenviertel ansässig ist. „Zwar ist die Rote Flora nicht das Schanzenviertel, aber ein wichtiger Teil davon“, betont er. Es würde etwas fehlen, wenn alternative Lebensformen vertrieben würden.

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