Anfang des Monats ist die neue Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft getreten. Sie sieht zahlreiche Ausschlüsse von OTC-Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen vor. Die betroffenen Produkte dürfen nun - trotz der Ausnahmereglung im Sozialgesetzbuch V - auch für diese Altersgruppe nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKL) sowie der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) fordern eine Revision.
Betroffen sind vor allem Arzneistoffkombinationen: So sind unter anderem Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen, Antacida sowie Antiphlogistika in Kombination mit anderen Arzneistoffen, Antianaemika-Kombinationen und Hustenmittel, die sowohl Antitussiva als auch Expektorantien enthalten, zukünftig nicht mehr erstattungsfähig.
Auch Antihypotonika, Carminativa, Immunstimulantien und alkoholhaltige Arzneimittel ab 5 Volumenprozent Ethanol darf der Arzt nicht mehr verschreiben. Einschränkungen gibt zudem bei Antidiarrhoika, Otologika und bestimmten traditionellen Arzneimitteln. Der Kinderarzt muss bei den betroffenen Indikationen nun verschreibungspflichtige Arzneimittel auswählen oder den Eltern den privaten Kauf des OTC-Produktes empfehlen.
Die Neuregelung hat für die Apotheken weitreichende Konsequenzen, denn die Produkte fallen nicht mehr unter den Fixzuschlag. Ob Eltern überhaupt die betroffenen Arzneimittel für ihre Kinder künftig aus der eigenen Tasche bezahlen werden, bleibt abzuwarten. Der BAH fürchtet bereits einen erneuten Umsatzeinbruch. Nach dem Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Produkte für Erwachsene im Jahr 2004 habe die Selbstmedikation stark nachgelassen, sagte ein BAH-Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Die AM-RL richtet sich in erster Linie an die verordnenden Ärzte. Grundsätzlich ergeben sich daher für die Apotheken aus dem G-BA-Papier keine neuen Prüfpflichten. Ob die Apotheke bei einem Rezept über ein nicht mehr erstattungsfähiges OTC-Produkt zum Schutz vor Retaxationen die neuen Bestimmungen zu beachten hat, richtet sich im Einzelfall nach den Bestimmungen in den Arzneimittel-Lieferverträgen. Für die Ärzte kann es allerdings brenzlig werden: Halten sie sich nicht an die Vorgaben, könnten sie in die Wirtschaftlichkeitsprüfung kommen.
Der BVKJ und der BAH sehen in der neuen Fassung der AM-RL eine „Konterkarierung der besonderen therapeutischen Belange von Kindern und Jugendlichen.“ Der medizinische Versorgungsbedarf mit rezeptfreien Arzneimitteln werde bei diesen geschützten Patientengruppen ignoriert, so die Verbände. Vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verlangen sie deshalb, die Richtlinie zu korrigieren.
Der G-BA darf die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln über die gesetzlichen Regelungen hinaus konkretisieren. Bisher hatten sich die Einschränkungen auf OTC- und bestimmte Rx-Arzneimittel für Erwachsene beschränkt. Nicht verschreibungspflichtige Präparate durften für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr ärztlich verordnet werden.
Nach Angaben des BAH hatte der G-BA bereits in der Vergangenheit versucht, die Verordnungsfähigkeit der OTC-Arzneimittel auch bei Kindern generell zu untersagen. Dieser Versuch wurde im Jahr 2007 vom BMG unterbunden, da der Ausschuss mit einer solchen Regelung die Grenzen seiner vom Gesetzgeber vorgegebenen Ermächtigung klar überschritten hätte.
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