Seit dem Deutschen Apothekertag (DAT) in München ist klar, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Alternative zum Rx-Versandverbot bevorzugt. Gemeinsam mit der ABDA soll ein Alternativkonzept mit dem Ziel „Gleichpreisigkeit“ entwickelt werden. Die Apothekerkammer Hessen hält das für unrealistisch: Nur ein Rx-Versandverbot könne das garantieren, schreibt Präsidentin Ursula Funke an die Kammermitglieder.
Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren habe der EuGH „dieses unsägliche Urteil gesprochen“, heißt es in dem Präsidentenbrief der Oktober-Ausgabe von LAK aktuell. Seit nunmehr zwei Jahren lebten die Apotheker in diesem unerträglichen Dilemma unterschiedlicher Preise bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Alle Juristen, Experten, Gremien der Kammern und Verbände, andere Apothekerorganisationen, aber auch Gesundheitspolitiker, hätten alle möglichen Szenarien durchdacht, überlegt, abgewogen, bewertet – kurz gesagt: „Um die Gleichpreisigkeit in Deutschland bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, muss der Versandhandel wieder auf das europarechtlich gebotene Maß zurückgeführt werden“, so Funke.
Beim Deutschen Apothekertag habe Spahn erkennen lassen, dass er kein Fan des Versandverbotes sei, sondern lieber „alternative“ Maßnahmen zur Kompensation verfolgen wolle – allerdings habe er auch „nichts Konkretes, keine Lösung, wie wir die Gleichpreisigkeit bei gleichzeitig erlaubtem Versandhandel (inklusive Boni und Rabatten) erhalten können“, vorgelegt.
Die von den Apothekern gemachten Vorschläge, Leistungen auszuweiten, das Konzept zum E-Rezept voranzubringen und weitere Aufgaben zu übernehmen, fände Spahn „interessant und gut, aber halt nur ohne Versandverbot“. Er wolle – gemeinsam mit der ABDA-Spitze – in den nächsten Monaten ein Konzept entwickeln, das dann in einen Gesetzentwurf münden solle, so die Mitgliederinformation.
Diesem Plan räumt Funke allerdings keine Chancen ein: „Um die Gleichpreisigkeit bei uns wiederherzustellen, brauchen wir das RxVV! Ohne Gleichpreisigkeit bricht der Preiswettbewerb zwischen den Apotheken vor Ort aus, es wird nicht mehr um Beratung und pharmazeutische Betreuung gehen, sondern nur noch um Rabatte und Boni.“ Funke rechnet damit, dass die ausländischen Versandapotheken mit ihren globalen Kapitalgebern im Hintergrund und mit ihren Werbebudgets den ruinösen Wettbewerb befeuern werden, „das halten wir inhabergeführten Apotheken nicht aus“.
„Das Fremdkapital und damit den Fremdbesitz haben wir dann in der täglichen Regelversorgung! Das kann keiner von uns wollen – und das muss auch einem Bundesgesundheitsminister Spahn klar sein, dass er damit ein neues System der Arzneimittelversorgung in Deutschland einführt. Wenn er und die ganze Bundesregierung das wollen, dann sollen sie es auch offen sagen“, fordert Funke.
Die Kammer Hessen wolle das System, „das effektiv und patientenorientiert die Arzneimittelversorgung sichert, erhalten und uns pharmazeutisch noch stärker einbringen!“ Apotheker wollten sich den neuen Herausforderungen stellen, an neuen, zukunftsorientierten Konzepten jederzeit mitarbeiten: Funke: „Wir verweigern uns nicht der Digitalisierung, wir nutzen sie schon längst – allerdings wird sie nie den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch ersetzen können!“
Die Bevölkerung werde älter, die Zahl der multimorbiden älteren Patienten mit Polypharmazie nehme zu. Gerade für diese Patienten seien Apotheker wichtig und könnten und wollten „extrem viel leisten“. Aber das „weitere Stockwerk eines Hauses kann nur stabil gebaut werden, wenn das Fundament trägt und stabil ist“, so Funke und endete mit einem Appell an den Gesundheitsminister: „Lassen Sie unser Apothekenwesen nicht einstürzen, geben Sie dem Fundament Stabilität, lassen Sie uns gemeinsam eine weitere Etage mit Leistungen für die Menschen in unserem Land bauen - nehmen Sie unser Angebot an, Herr Spahn!“
Nach dem DAT hatte als erste ABDA-Mitgliedsorganisation die Landesapothekerkammer Saarland ihre Hoffnungen auf die Umsetzung des Rx-Verbots aufgegeben. Ein Info-Schreiben an die Kammermitglieder über den DAT-Verlauf leitete die Kammer mit den Worten ein: „Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass nach diesseitiger Einschätzung das Rx-Versandverbot nicht kommen wird.“
Die Ausführungen zum Rx-Versandverbot seien mehr als enttäuschend gewesen. Spahn stehe zwar hinter dem Prinzip der Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel, alle Akteure seien sich aber bewusst, dass diese Gleichpreisigkeit eben nur durch ein Rx-Versandverbot erreicht werden könne. „Um es ganz deutlich zu sagen: Alle daneben diskutierten Alternativen sind keine Alternativen zum Rx-Versandverbot sondern Kompensationsgeschäfte nach dem Motto: Ihr, der Berufsstand, kriegt hier und da ein bisschen mehr, der Rx-Versand bleibt allerdings bestehen. Das ist keine Politik, sondern Flickschusterei!“
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