Eine positive Bilanz ihrer ersten Amtszeit hat Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke gezogen. Die Kammer habe nicht nur ihre Öffentlichkeitsarbeit deutlich ausgebaut, sondern auch die Fortbildung und Zusammenarbeit mit den Ärzten intensiviert. Die Arbeit von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hält Funke für verbesserungsfähig. Fest hält die Kammerpräsidentin am Rx-Versandverbot. Die Verärgerung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Unterstützung des Deutschen Apothekertages für die Rx-Versandverbot-Initiative des Bundesrates nimmt sie hin: Es gehe „nicht um persönliche Befindlichkeiten. Natürlich würde ich das daher wieder machen.“
ADHOC: Wenn sie auf Ihre erste Amtszeit zurückblicken: Was haben Sie als Kammerpräsidentin erreicht?
FUNKE: In diesen fünf Jahren hat sich in der Apothekerkammer Hessen ein richtig gutes Team herausgebildet. Vorstand und Geschäftsführung arbeiten sehr gut zusammen. Alleine kann man die Arbeit nie leisten. Wir ziehen in Hessen alle an einem Strang. Deswegen haben wir in Hessen sehr viel erreicht. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die pharmazeutische Zukunft des Apothekers – egal wo er arbeitet, in der öffentlichen Apotheke, in der Klinikapotheke, Hochschule oder der Industrie. Wir haben auf vielen Ebenen Akzente gesetzt: Wir haben die Öffentlichkeitsarbeit der Kammer wesentlich intensiviert mit einem monatlichen Newsletter. Zu besonderen Anlässen informiere ich die Kammermitglieder auch mit Sondernewslettern. Wir sind jetzt auf Facebook und Twitter aktiv geworden. Die Kammermitglieder können alle Delegiertenprotokolle im internem Internetbereich abrufen. Mir persönlich war es ganz wichtig, die Delegierten der Kammerversammlung ganz eng in die berufspolitischen Entwicklungen einzubinden. Das alles ist gut gelungen. Darüber hinaus haben wir auch in der Pharmazie einiges erreicht: Wir haben das Fortbildungsangebot stark erweitert und unter anderem die Webinare eingeführt.
ADHOC: Was geschieht dort?
FUNKE: Webinare sind unsere Fortbildungsprogramme im Internet. Wenn man an Hessen denkt, denkt man vor allem an die Ballungszentren Frankfurt, Kassel, Gießen und Darmstadt. Aber Hessen beheimatet viele ländliche Regionen. Dort ist es für die Kollegen nicht immer so einfach, sich nach der Arbeit in der Apotheke aufzuraffen, noch ins Auto zu setzen und bis zu zwei Stunden zu einer Fortbildungsveranstaltung zu fahren. Wir haben zudem die interprofessionellen Angebote sehr intensiviert. Zu Beginn meiner Amtszeit bin ich gleich auf die Ärzte in Hessen zugegangen. Daraus sind gemeinsame Fortbildungsangebote der Fortbildungsakademien der Apotheker und Ärzte entstanden. Das ist noch ein kleines Pflänzchen, aber es gedeiht wunderbar.
ADHOC: Wie wird das angenommen?
FUNKE: Die meisten Angebote werden pari pari von Ärzten und Apothekern besucht. Das zeigt uns, dass wir ein richtiges Angebot geschaffen haben. Wir tragen damit dazu bei, dass das Verhältnis und Verständnis Arzt/Apotheker besser wird. Ich denke, wir müssen dabei vor allem bei der jungen Generation ansetzen. Deswegen haben wir gemeinsame Workshops zwischen Pharmazeuten im Praktikum und Ärzten im Praktikum geschaffen, bei denen die angehenden Ärzte und Pharmazeuten tatsächlich pärchenweise zusammenarbeiten. Das machen wir gemeinsam mit dem Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt. Hier werden beide Heilberufe mit Patienten konfrontiert, deren Probleme Arzt und Apotheker gemeinsam angehen und lösen. Das wird super angenommen. Wir haben auch ein gemeinsames Seminar Allgemeinmedizin und Allgemeinpharmazie. Der nächste Schritt sind gegenseitige Besuche: Der Apotheker hospitiert in der Arztpraxis, der Arzt kommt in die Apotheke. Beide können so den Alltag des anderen besser kennenlernen. Und wir haben das Programm „Akkrediterte Ausbildungsapotheke” für die öffentliche Apotheke aktualisiert und für die Krankenhausapotheke als erste in Deutschland überhaupt geschaffen. Nach der theoretischen Ausbildung im Studium muss der angehende Apotheker rasch mit den Anforderungen im Alltag und der Umsetzung des Wissens in die Arbeit mit dem Patienten konfrontiert werden. Das ist extrem wichtig.
ADHOC: Zur politischen Arbeit: Wie sind Sie in Hessen aufgestellt?
FUNKE: Die Apothekerkammer Hessen arbeitet intensiv im Gesundheitspakt Hessen mit. Wir sind als Apotheker auch im gemeinsamen Landesgremium nach 90a SGB V vertreten, was nicht in vielen Bundesländern der Fall ist. Dort arbeiten Heilberufe, Krankenkassen, und Gebietskörperschaften zusammen. Früher waren die Apotheker nicht dabei, jetzt arbeiten wir dort mit. Die Kammer pflegt einen sehr intensiven Kontakt zum Landesgesundheitsministerium unabhängig von der politischen Führung. Das hat auch seinen Auswirkungen auf die Bundesratsstellungnahme in diesem Herbst zum Rx-Versandhandelsverbot gehabt. Da hat uns unsere Landesregierung unterstützt.
ADHOC: Und das, obwohl die Grünen mit Minister Kai Klose in Hessen den Gesundheitsminister stellen und das Rx-Versandhandelsverbot eigentlich ablehnen?
FUNKE: Wir wissen natürlich nicht, wer wie gestimmt hat, aber unsere Anliegen, Befürchtungen und Lösungsansätze wurden von Staatsminister Klose und seinen Mitarbeitern sehr ernst genommen. Ich halte auch engen Kontakt zu den hessischen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Wir informieren auch alle hessischen Bundestagsabgeordneten und halten engen Kontakt zu den Gesundheitspolitikern im Hessischen Landtag. Ich halte es für wichtig, dass man bei der Politik nicht nur alle paar Jahre aufschlägt, wenn es brennt, sondern kontinuierlich für unsere Anliegen im Dialog bleibt. Übrigens: Für das Rx-Versandhandelsverbot des Bundesrates wohl mehrere Länder gestimmt, deren große politische Linie der Parteipolitik etwas anderes sagte. Ich denke, die Landespolitiker sind näher an den Menschen, an den Bedürfnissen und den Strukturen vor Ort und sehen daher gelegentlich die Dinge anders.
ADHOC: Sie haben auf dem Deutschen Apothekertag aktiv am ersten Votum mitgewirkt, die Rx-Versandhandelsverbot-Stellungnahme des Bundesrates aufzugreifen.
FUNKE: Ja, das habe ich gemeinsam mit Thomas Benkert aus Bayern und anderen ganz bewusst als Einzeldelegierte angeschoben. Das muss auf dem DAT ja alles sehr schnell gehen. Wir wollten einfach diesen Push des Bundesrates aufnehmen.
ADHOC: Wen Sie rückblickend darauf schauen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war sichtlich verärgert, die Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind verstimmt, das Apothekenstärkungsgesetz liegt jetzt auf Eis. Niemand weiß ob und wann es weitergeht. Würden Sie diesen Vorstoß wiederholen?
FUNKE: Ja, auf jeden Fall. Man konnte beim Apothekertag natürlich Spahns Verstimmung deutlich erkennen. Aber es geht doch um die Sache und nicht um persönliche Befindlichkeiten. Natürlich würde ich das daher wieder machen. Es geht uns um die Gleichpreisigkeit und der Bundesrat hat erkannt, dass das Rx-Versandhandelsverbot dafür das Mittel zum Zweck ist. Und Spahn hat uns eine andere Lösung gleicher Wirkung versprochen. Die ist er uns bis heute schuldig geblieben.
ADHOC: Aber auch ABDA-Präsident Schmidt hatte doch bereits in einem Zeitungsinterview gesagt, sich nicht mehr für das Rx-Versandhandelsverbot zu verkämpfen. Deswegen wurde Ihre Initiative auf dem DAT als Rolle rückwärts aufgefasst.
FUNKE: Die ABDA besteht aus vielen Mitgliedsorganisationen. Und der Bundesrat hat uns wirklich eine Steilvorlage geliefert, die wir aufgreifen mussten. Wenn die Länder erkennen, dass man die Gleichpreisigkeit nachhaltig nur mit einem Rx-Versandhandelsverbot erreicht, dann müssen wir die Länder – die wir zuvor um Unterstützung gebeten haben – doch unterstützen.
ADHOC: Wie angekündigt hat Spahn aber erstmals seine Arbeit am Apothekenstärkungsgesetz eingestellt und wartet auf die Stellungnahme der EU-Kommission zum geplanten Rx-Boniverbot. Versuchen Sie jetzt, die Länder zu einer Gesetzesinitiative zum Rx-Versandhandelsverbot zu bewegen?
FUNKE: Ich glaube nicht, dass daraus eine Gesetzesinitiative des Bundesrates entsteht. Aber natürlich stehen wir im kontinuierlichen Austausch mit unseren Ländern. Das ist doch unsere Pflicht als Landeskörperschaft.
ADHOC: Wie beurteilen Sie in dieser Frage die Amtsführung von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt?
FUNKE: Friedemann Schmidt macht einen guten Job. Aber wie bei allem, nichts ist so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte.
ADHOC: Schauen wir nach vorne: Die Bundesapothekerkammer hat eine Diskussion über die Reform der Approbationsordnung angeschoben. Wie stehen sie dazu?
FUNKE: Ich bin der Auffassung, dass auch die aktuelle Approbationsordnung viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet und es ist überfällig, dass sie endlich an allen Hochschulstandorten umgesetzt wird. Man muss nur den Blick nach Frankfurt richten. Dort wurden bereits die Inhalte praxisnäher gestalten, die Ausbildung modern, zukunftsgerichtet und interdisziplinär weiterentwickelt. Man kann beispielsweise pharmazeutische Biologie wie vor 50 Jahren machen oder man macht zukunftsgewandte Biologie. Das läuft schon in Frankfurt. Im wichtigen Fach Klinische Pharmazie werden die Studenten in Marburg hervorragend ausgebildet. Es wird nur nicht überall so umgesetzt. Dafür muss der Wille der Hochschullehrer vorhanden sein. Das löst man aber nicht über eine Reform der Approbationsordnung.
ADHOC: Sie lehnen eine Reform ab?
FUNKE: Den Prozess jetzt mal anzuschieben und sich Gedanken zu machen, finde ich richtig. Man muss aber die Risiken sehen.
ADHOC: Wo sehen Sie Risiken?
FUNKE: Ich möchte eine einheitliche Ausbildung. Ich möchte keinen Bachelor/Master-Studiengang. Wenn wir eine Reform anschieben, besteht die Gefahr, dass die Politik andere Vorstellungen entwickelt als wir. Ich sehe zudem keinen grundsätzlichen Reformbedarf hinsichtlich einer anderen Struktur, sondern eine Aktualisierung und neue Schwerpunkte. Man kann Korrekturen auch heute vornehmen, wenn sich die Hochschulen bewegen und mitziehen.
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