Frustbrief an Overwiening Julia Germersdorf, 23.03.2023 15:06 Uhr
In der vergangenen Woche kündigte Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening noch an: „Wir müssen laut werden.“ Doch zuletzt hieß es aus der Abda, dass die Kampagne zu den Honorarforderungen erst im Herbst starten soll. Das führte nicht nur zu einer Verwirrung innerhalb der Landesorganisationen, sondern vor allem zu großem Unmut in der Apothekerschaft. Christian Reichert, Inhaber der Hardtwald-Apotheke in Friedrichsdorf-Seulberg bei Frankfurt am Main, richtet sich in einem offenen Brief direkt an die Abda-Präsidentin.
Reichert ist seit 20 Jahren selbstständiger Apotheker. Er hat direkt nach seinem Pharmazie-Studium den Betrieb seines Großvaters übernommen. Seither, so empfindet er, ist der Beruf des Apothekers immer unattraktiver geworden. Nicht nur von der Politik fühlt er sich im Stich gelassen, auch von Abda-Präsidentin Overwiening ist er enttäuscht.
Mehr Leistung für weniger Geld
Dass die Abda jegliches Engagement, was Honorarforderungen betrifft, auf den Herbst verschiebt, macht Reichert fassungslos. „Das kann ich absolut nicht nachvollziehen, es regt mich tierisch auf. Wir haben dieses halbe Jahr nicht mehr. Es muss jetzt etwas passieren, sonst verstetigt sich das Problem – im Herbst denkt da keiner mehr daran. Dann sind wieder andere Dinge wichtiger.“
Seit 2004 habe sich das Honorar nur ein einziges Mal um erhöht – und das gerade mal um drei Prozent. Berücksichtigt man die Inflationssteigerungen, habe es sich wohl eher halbiert. „Gleichzeitig sind Tätigkeiten dazugekommen, die Zeit und Geld kosten. Stichwort Präqualifizierung, um nur ein Beispiel zu nennen. Das macht keinen Sinn.“
Während der Coronakrise habe man als Institution Apotheke unter Beweis gestellt, wie wichtig man sei und was geleistet werden kann. Ein Mammut-Projekt jagte das nächste. Von jetzt auf gleich habe man sämtliche Forderungen erfüllt und beispielsweise die Bevölkerung mit Masken versorgt.
Und dann bekommen wir durch die Erhöhung des Kassenabschlags unser Honorar gekürzt. 50 Cent bietet man uns für die unvorstellbare Mehrarbeit bezüglich der Lieferschwierigkeiten an. Was soll das sein? – Etwa ein Dankeschön? – Frechheit!
Es sei das Allerletzte, dass man sich dagegen nicht lautstark und mit dem nötigen Druck wehre. Reichert fordert Overwiening auf, Apotheker:innen „in die Schlacht“ zu führen und sich so für den Berufsstand einzusetzen, dass es Erfolg hat. Momentan werde man nämlich nur ausgelacht. „Das wäre jetzt Ihr Job. Dafür stehen Sie an der Spitze der Abda“, schreibt der Apotheker an Overwiening.
Einfach nur eine Liste mit Forderungen zu veröffentlichen, interessiere niemanden, befürchtet Reichert. „Es muss öffentlichkeitswirksam sein und es muss wehtun – bundesweit.“ Er spricht das Thema Streik in den öffentlichen Apotheken an: „Wenn wir nicht mal zeigen, was in Deutschland fehlt, wenn wir Apotheken nicht mehr da sind, dann hört uns keiner zu.“ Durch Verschieben von Protestaktionen werde mit Sicherheit nichts erreicht.
Großer Schaden an Apotheken
Wie viele andere Apotheker:innen fragt sich auch Reichert, warum die Politik so entscheidet. Warum wird das so gemacht? Was soll damit erzielt werden? „Warum interessiert keinen, dass Apotheker:innen einen großen Schaden davontragen? Das muss doch publik gemacht werden. Und zwar so, dass es wirklich jeder kapiert. Das hat nix mit jammern auf hohem Niveau zu tun, das ist mitunter existenzzerstörend.“