Medizinkonzern

Fresenius im Clinch mit Verdi dpa, 12.06.2019 12:03 Uhr

Der Konzern stellt nicht nur Infusions- und Ernährungslösungen her, sondern betreibt auch eigene Dialysezentren und Kliniken. Foto: Fresenius
Berlin - 

Gewerkschaftsverbände und Verdi werfen Fresenius vor, in den USA mit externen Beratern gegen Arbeitnehmervertretungen vorzugehen. Dort suche die Dialysetochter FMC auch Personal-Manager mit der Aufgabe, Gewerkschaften zu vermeiden. Der Konzern wehrt sich.

Internationale Gewerkschaftsverbände und Verdi werfen dem Medizinkonzern Fresenius vor, in den USA Gewerkschaften systematisch zu unterdrücken. In Dialysekliniken der Tochter Fresenius Medical Care (FMC) in Kalifornien seien Mitarbeiter unter
Druck gesetzt worden, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren wollten, sagten David Boys und Alke Bössinger von den Dachverbänden PSI und UNI Global Union. „Es wurde mit Kündigung gedroht und Beschäftigte wurden in Einzelgesprächen in geschlossenen Räumen davor gewarnt, gewerkschaftlich aktiv zu werden.“

FMC habe in den USA externe Berater beauftragt, um in Betrieben Arbeitnehmervertretungen zu verhindern, sagte Cass Gualvez von der Gewerkschaft SEIU-UHW. Die Firmen hätten sich in Kliniken eingerichtet. „Sie fragen Mitarbeiter, warum sie eine Gewerkschaft gründen wollen und behaupten, gewerkschaftlich organisierte Kliniken müssten geschlossen werden.“ Die Organisationen werfen FMC auch vor, in Stellenanzeigen nach Personalmanagern zu suchen, zu deren Aufgabe die Vermeidung von Gewerkschaften zähle („Union Avoidance“).

Fresenius wies den Vorwurf des „Union Busting“, die systematische Unterdrückung von Gewerkschaften, „entschieden“ zurück. „Fresenius, einschließlich Fresenius Medical Care in den USA, respektiert die Vereinigungsfreiheit und erkennt das Recht eines jeden Arbeitnehmers auf Kollektiv-Verhandlungen an“, hieß es in einer Stellungnahme. Die Mitarbeiter könnten in Übereinstimmung mit den geltenden lokalen Gesetzen Gewerkschaften beitreten, sich vertreten lassen und Tarifverhandlungen führen, betonte der Dax-Konzern. Man toleriere keine Benachteiligung von Mitarbeitern, die sich an einer
rechtmäßigen Gewerkschaftsorganisation beteiligten. „Meldungen über Verstöße gegen anwendbare Arbeits- und Sozialstandards nehmen wir ernst und gehen entsprechenden Hinweisen nach.“

Global Union, PSI und Verdi kämpfen derzeit für eine globale Rahmenvereinbarung mit Fresenius, die in allen Betrieben grundlegende Rechte für Betriebe und Gewerkschaften garantiere. Ende März seien sie auf Fresenius zugegangen. Anfang Mai habe es dazu zwei Schreiben gegeben, aber bisher kein weiteres Entgegenkommen. Fresenius erklärte, mit den Gewerkschaftsorganisationen stehe man im Dialog.

Fresenius mit rund 280.000 Mitarbeitern weltweit betreibt Privatkliniken, verkauft Flüssigmedizin wie Infusionen und versorgt mit der Tochter FMC Nierenpatienten. An FMC hält Fresenius gut 30 Prozent der Anteile. Der erfolgsverwöhnte Dax-Konzern erzielte 2018
33,5 Milliarden Euro Umsatz, einen großen Teil davon in den USA.

Gerade das Agieren in Amerika steht in der Kritik der Gewerkschaften. In einer Ausschreibung von FMC für einen Manager im Personalwesen in Knoxville heiße es etwa, er könne „Aktivitäten zur Vermeidung von Gewerkschaften“ wie Trainings unterstützen. In anderen Stellenanzeigen für Personal-Manager in Atlanta und Charlotte ist davon die Rede, er oder sie könne andere Manager anleiten, Gewerkschaften zu vermeiden. Fresenius habe über Jahre Berater engagiert, um Gewerkschaften zu verhindern, berichten die Arbeitnehmervertretungen. Darunter sei die US-Firma Cruz & Associates, zu deren Diensten es nach eigenen Angaben gehört, „schnell und effektiv auf Aktivitäten von Gewerkschaften zu antworten“. Aus offiziellen Unterlagen gehe hervor, dass Fresenius mindestens 410.000 Dollar an Berater bezahlt habe, um Fortschritte bei der Gewerkschaftsorganisation zu beeinflussen.

Fresenius verwies auf das US-Arbeitsrecht. Dort sei es Arbeitgebern „ausdrücklich gestattet und üblich, die eigenen Mitarbeiter aktiv
über gewerkschaftsbezogene Themen zu informieren“. FMC nutze „Fachwissen von Experten – in den eigenen Personalabteilungen und teils auch von Beratern, die mit den durchaus komplexen Arbeits- und Gewerkschaftsgesetzen in den USA vertraut sind“. Das sei dort gängige und legitime Praxis auch bei vielen anderen Unternehmen. Fresenius agiere in den USA legal oder bewege sich im Graubereich, meint Michael Dehmlow, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. „Es ist aber unwürdig für einen deutschen Dax-Konzern“. Die Gewerkschaftsverbände prangern ebenfalls Tarifumgehungen bei der Kliniktochter Helios an. In Peru und Spanien seien geltende Verträge nicht eingehalten worden, heißt es. Fresenius habe die tariflich vereinbarte Bezahlung von Überstunden und Nachtzuschlägen verweigert, monieren sie.

Fresenius wies auch das zurück. Die Arbeitsverträge entsprächen den jeweils geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften. In Peru habe es 2014, 2015 und 2018 Betriebsprüfungen gegeben durch das zuständige Ministerium, die allesamt ohne Beanstandungen abgeschlossen wurden. „Dass Überstunden und Zuschläge nicht bezahlt worden seien, können wir so pauschal ebenfalls nicht bestätigen“. Die Vorwürfe mit Blick auf Spanien seien „gänzlich neu und für uns nicht nachvollziehbar“.

Die Gewerkschaftsverbände in den USA fechten schon länger mit großem Einsatz für bessere Bedingungen im Gesundheitssystem. In Kalifornien hatten sie 2018 ein Volksbegehren initiiert, um Dialyse-Anbieter wie FMC zu zwingen, bestimmte kostenüberschreitende Einnahmen direkt an Nierenpatienten oder deren Versicherer zurückzuzahlen. Unternehmen wie Fresenius Medical Care hatten sich massiv dagegen gewehrt. Die Wähler lehnten das Volksbegehren im vergangenen November ab.