Grüne: Biggi Bender war gestern Alexander Müller, 07.05.2015 11:35 Uhr
Die Grünen waren in der politischen Parteienlandschaft über viele Jahre das Feindbild vieler Apotheker. Daran hatte die frühere gesundheitspolitische Sprecherin Biggi Bender maßgeblichen Anteil. Sie hatte sich wiederholt für die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ausgesprochen und mit ihrer öffentlichen Unterstützung von Celesio/DocMorris eine eher zweifelhafte Rolle gespielt. Benders Nachfolgerin, Kordula Schulz-Asche, sieht keinen Bedarf mehr für Apothekenketten.
Schulz-Asche geht davon aus, dass die sprechende und beratende Medizin künftig eine größere Rolle spielen wird, wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht. „Dann brauchen wir Antworten. Es geht nicht darum, bestehende Strukturen zu zerstören, sondern die Patienten in den Mittelpunkt nehmen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin beim DAV-Wirtschaftsforum.
Die Frage sei nicht, „ob die Einzelapotheke ein Vorzeigeprojekt ist, sondern ob die Patientenversorgung sichergestellt ist“, so Schulz-Asche. „Und da brauchen wir alles, was wir haben. Zusammenarbeit ist das Zauberwort.“ Es sei die Aufgabe der Politik, die Fähigkeiten der Leistungserbringer zusammenzuführen. „Zusammenarbeit ist entscheidend, nicht grundsätzliche Strukturfragen“, so Schulz-Asche.
Für die Grüne geht es darum, „viele Entscheidungen in die Regionen zu verlegen, auf die Ebene der Landkreise“. Man müsse auf den vorhandenen Strukturen aufbauen. Zusätzliche Mittel werde es dafür vermutlich nicht geben, also müssten die vorhandenen Kräfte möglichst gut zusammenarbeiten, etwa Krankenhausapotheken und Apotheken vor Ort. „Das kann man nicht alles vom Bund aus organisieren“, so Schulz-Asche. Regionale Gesundheitskonferenzen mit Beteiligung der Apotheker seien eine Möglichkeit.
Rückblickend hat die Debatte um Apothekenketten für Schulz-Asche eine andere Debatte ausgelöst – nämlich welche Angebote die Apotheker machen können. „Von den Apothekern wurden strukturell richtig gute Vorschläge gemacht“, so die Grünen-Politikerin. Dass die Krankenkassen trotzdem noch Apothekenketten forderten, könne sie zwar nachvollziehen, „aber für uns ist das nicht prioritär“, so Schulz-Asche.
Schulz-Asche bezog sich damit auf ein Papier des GKV-Spitzenverbandes, in dem die Kassen erneut eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots gefordert hatten. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich sagte bei der Podiumsdiskussion: „Schlechte Aussagen werden durch mehrfache Wiederholung nicht besser. Ich nehme das Papier in dem Punkt nicht ernst.“ Und in dieser Frage könne er für die gesamte Koalition sprechen.
Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag dokumentiert, dass sie an der inhabergeführten Apotheke festhalten wollen. Angeblich hatte die Union auf den Passus bestanden, da auch die SPD sich in der Vergangenheit in der Kettenfrage unterschiedlich positioniert hatte.
Bei der Standesvertretung der Apotheker hält sich die Nervosität entsprechend sehr in Grenzen. Die Forderung der Kassen nannte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), scherzhaft einen „bedeutungsschweren Satz in einem bedeutungsschweren Papier“.
Er vermutet ohnehin eine anderes Motiv hinter der Forderung: „Es geht überhaupt nicht um die Versorgung, sondern nur darum, die Position der Apotheker zu schwächen“, so Kiefer. Die derzeitigen Strukturen seien gut, weil motivierte Mitarbeiter in der Apotheke die Versorgung sicherstellten.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken, Harald Weinberg, kritisierte, dass im Gesundheitswesen der Wettbewerb das steuernde Element sei, auch auf Seiten der Krankenkassen. „Dass deshalb das Versorgungsgeschehen völlig aus dem Blick gerät, wundert mich nicht. Das ist eine Folge des politischen Arrangements.“ Weinberg hatte dies vor allem mit Blick auf den neuen Wettbewerb unter den Kassen beim Vermeiden von Zusatzbeiträgen gesagt. Das Fremdbesitzverbot hatten die Linken ohnehin stets verteidigt.
Noch vor einem Jahr hatte sich Schulz-Asche dafür ausgesprochen, die Vorschläge des Sachverständigenrats zu Apothekenketten und zum Apotheken- und Großhandelshonorar umzusetzen. Anders als die Bundesregierung halte sie auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot „für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung nicht zwingend erforderlich“. Später räumte sie ein, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot für sie keine „heilige Kuh“ sei. Aber derzeit bestehe kein Bedarf, die bestehenden Regeln zu ändern.
Bei den Grünen hatte vor allem Bender das Thema auf dem Schirm – und an ihr führte in der Ökopartei in Gesundheitsfragen kein Weg vorbei. Im Bundestagswahlkampf 2013 war überraschend Spitzenkandidat Jürgen Trittin noch einmal vorgeprescht. Das Mehrbesitzverbot zählte er zu den „zehn Verboten“, die abgeschafft werden sollten. Im Wahlprogramm war das Thema dagegen schon nicht mehr aufgetaucht.
Bender hatte den Wiedereinzug in den Bundestag nicht geschafft. Nun sieht es so aus, als hätten die Grünen ihr Kettenerbe überwunden.
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