MVZ-Gründungen

Fremdbesitz bei Zahnärzten auf Vormarsch Lothar Klein, 18.10.2018 17:44 Uhr

Berlin - 

Auf dem Deutschen Apothekertag hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Apothekern nochmals das Fremd- und Mehrbesitzverbot garantiert. Im Bereich der Zahnärzte machen sich allerdings immer stärker Medizinische Versorgungszentren (MVZ) breit, die sich in der Hand von heilberufsfremden Kapitalgebern befinden. Die Fraktion der Grünen und die Linksfraktion befassen sich in zwei getrennten Anfragen mit diesem Phänomen und liefern interessante Daten zur Kapitalisierung des Zahnärztemarktes.

Die Grünen halten MVZ grundsätzlich für sinnvolles Instrument, um mehr Vernetzung und Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung zu erreichen. Diese ermöglichten eine patientenorientierte Versorgung aus einer Hand und seien ein Beitrag zu wirtschaftlicheren Versorgungsstrukturen. Seit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) im Juli 2015 sei ein deutlicher Anstieg der zahnmedizinischen Versorgungszentren (Z-MVZ) festzustellen.

Gab es im vierten Quartal 2014 bundesweit 25 an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmende MVZ, so beläuft sich die Zahl dieser Versorgungszentren im zweiten Quartal 2017 auf bereits 359. Im gleichen Zeitraum habe sich die Zahl der dort tätigen Zahnärzte von 155 auf 1140 erhöht. Laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) befanden sich Ende 2017 etwa 79 Prozent der Z-MVZ in städtischen Gebieten. Gründungen von Z-MVZ in ländlichen und strukturschwachen Regionen stellten hingegen „eine relative Seltenheit dar“.

Neben dieser unterschiedlichen räumlichen Verteilung von Z-MVZ komme es Presseberichten zufolge zum Kauf von Krankenhäusern durch so genannte Private-Equity-Gruppen, die hierüber Z-MVZ gründeten. Als Gründe für das Engagement dieser Investoren würden hohe Renditeerwartungen genannt, die durch das Angebot teurerer zahnmedizinischer Leistungen, Standorte in vorwiegend ertragsstärkeren Lagen sowie im Vergleich zu Einzelpraxen günstigere Kostenstrukturen erzielt werden könnten.

Diese Entwicklungen träfen auf einen Versorgungsbereich, der gekennzeichnet sei von bislang eher kleinteiligen Strukturen mit überwiegend Einzelpraxen und einem offenbar wachsenden Bedürfnis, als angestellte Zahnärzte zu arbeiten, sowie einer „Vielzahl ökonomischer Fehlanreize“. Dazu gehöre ein hoher Anteil von Leistungen, die von den Patienten selbst zu zahlen seien, eine fehlende Bedarfsplanung, mangelnde Qualitätstransparenz und fehlende wissenschaftliche Evidenz etwa in der implantologischen und kieferorthopädischen Versorgung, sehen die Grünen durch die Zunahme der Z-MVZ die traditionellen Strukturen und die Versorgung gefährdet.

Die Linksfraktion beklagt ebenfalls eine zunehmende Tendenz, dass „Finanzinvestoren über die Gründung oder den Kauf von MVZ in der ambulanten Versorgung Fuß fassen“. Kritiker befürchteten eine Industrialisierung der ambulanten Versorgung. MVZ sollten ursprünglich fachübergreifend sein, um so „eine Versorgung ,aus einer Hand‘ anzubieten“, so die Linksfraktion. Die schwarz-gelbe Koalition habe im Jahr 2011 geregelt, dass MVZ nur von Ärztinnen und Ärzten sowie von Krankenhäusern und Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen betrieben werden dürften. Allerdings sei zugleich die Vorgabe aufgehoben worden, dass MVZ fachübergreifend tätig sein müssen.

Die Zahl der zahnärztlichen MVZ sei in der Folge massiv gestiegen. Im August habe die KZBV erneut „auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, die rasant fortschreitende Übernahme zahnärztlicher Versorgung durch Großinvestoren und Private-Equity-Fonds zu stoppen“. Da Großinvestoren nicht direkt ein MVZ betreiben dürften, würden verschiedene Umgehungsstrategien entwickelt.

Inzwischen sollen laut Linksfraktion 23 Krankenhäuser gekauft worden sein, um in den Besitz einer MVZ-Trägerschaft zu gelangen – 15 davon von Private-Equity-Gesellschaften. Verschiedene Töchter von Großunternehmen betrieben bereits MVZ- und Laborketten, teilweise mit zahlreichen Standorten.

Um die erforderlichen Arztsitze für eine MVZ-Gründung zu erhalten, werden teilweise Arztsitze aufgekauft. Ärzte könnten auch den eigenen Sitz in das MVZ einbringen, wenn sie selbst in den MVZ tätig seien. „Finanzinvestoren sahen dies als weiteren Weg, lukrative Versorgungszentren gründen zu können“, so die Linksfraktion.

Mit einer kurzen Beschäftigungsdauer von angeblich meist zwischen drei und sechs Monaten könne so das übliche Nachbesetzungsverfahren des Arztsitzes umgangen werden. Die Übernahme von Zahnarztpraxen erfolge teils auch über sogenannte Asset-Deals, wobei der Investor nur die Wirtschaftsgüter, wie Gebäude oder Geräte, kaufe und diese an die früheren Eigentümer gewinnbringend vermietet würden.

Die Mehrheit der Z-MVZ befändet sich inzwischen in der Hand von 93 Z-MVZ-Ketten. Die Zahl der Praxis- und MVZ-Standorte in Private-Equity-Hand werde auf 420 geschätzt. Von der Bundesregierung wollen Grüne und Linksfraktion fest wissen, wie sie diese Entwicklung beurteilt.