Fremdbesitz als Grundsatzfrage Alexander Müller, 30.09.2008 12:55 Uhr
Das in der Branche mit Spannung erwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Fremdbesitzverbot für Apotheken könnte zur Nagelprobe für die künftige Ausrichtung der EU-Politik werden. Denn zunehmend werden kritische Stimmen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts laut. In einem aktuellen Gutachten kommt das Centrum für Europäische Politik (CEP) - trotz ordnungspolitischer Kritik am deutschen Fremdbesitzverbot - zu einer Grundsatzdiskussion über die Verteilung der Kompetenzen in der EU.
In ihrem Gutachten zum „Fremdbesitzverbot bei Apotheken im Lichte des EU-Rechts“ kritisieren die CEP-Autoren Klaus-Dieter Sohn und Dr. Bert Van Roosebeke die neuen Kriterien, nach denen der EuGH Niederlassungsbeschränkungen bewertet. Dem Wortlaut des EG-Vertrags zufolge existiert lediglich ein Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Das CEP betrachtet es als unzulässige Ausweitung der Kompetenzen der EU, weitergehende Bewertungsmaßstäbe anzulegen. „Die exzessive, neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist abzulehnen“, schreiben die Autoren.
Auf der Grundlage der derzeitigen Bewertungsmaßstäbe lasse sich das Fremdbesitzverbot nicht rechtfertigen, da es aus Sicht der Autoren mildere Mittel zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gibt. Nach den neuen Kriterien müsse der EuGH daher zu der Feststellung gelangen, dass das deutsche Fermdbesitzverbot gegen europäisches Recht verstoße, so das CEP.
„Ein anderes Ergebnis ergibt sich freilich unter Anwendung der - allein sachgerechten, dem Willen der Herren der Verträge entsprechenden - älteren Rechtsprechung des EuGH“, so die Autoren. Das CEP vertritt die Auffassung, dass vor allem „der Wille der Mitgliedstaaten, der 'Herren der Verträge', wie er im EG-Vertrag zum Ausdruck kommt, zu berücksichtigen“ sei. Danach habe die EU keine Kompetenz im Bereich der Gesundheitspolitik; eine „Einschränkung der Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten durch die Gemeinschaft und die Grundfreiheiten“ solle aber gerade verhindert werden. Dies gelte auch für die Zukunft, wie die Formulierungen im Lissabon-Vertrag deutlich machten.
Gegenüber APOTHEKE ADHOC bezeichnete Sohn die derzeitige Linie des EuGH als „grundsätzlich falsch“. Ein Umdenken wäre wünschenswert. Die EU-Richter sollten anhand von Kriterien entscheiden, die ein normaler EU-Bürger auch verstehen könne. Der Europarechtler sieht sich nicht alleine mit seiner Kritik: Auch in anderen Ländern koche zunehmend Kritik hoch.
Erst vor kurzem hatten CEP-Vorstand Dr. Lüder Gerken und Kuratoriumsmitglied Roman Herzog die Kompetenzausweitung des EuGH kritisiert. Neben dem ehemaligen Bundespräsidenten gehört auch der frühere EU-Binnenmarktskommissar Frits Bolkestein, Vorgänger von Charlie McCreevy, zum Kuratorium.
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