Der Versand von Arzneimitteln aus anderen Ländern nach Deutschland ist erlaubt – solange vergleichbare Standards gelten. Grundlage bildet die sogenannte Länderliste, auf der unter anderem die Niederlande und Tschechien stehen. Die Freie Apothekerschaft (FA) findet nicht, dass die seit Jahren nicht mehr aktualisierte Liste ihrem Anspruch gerecht wird, und prüft daher jetzt eine Feststellungsklage.
Laut § 73 Arzneimittelgesetz (AMG) ist der Versandhandel erlaubt, der Versand aus einem anderen Land ist in Absatz 1 Nr. 1a geregelt: Demnach dürfen Arzneimittel von einer Apotheke eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates an deutsche Endverbraucher verschickt werden, wenn der Versandhandel nach nationalem Recht zulässig ist und dies „dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht“.
Weiter heißt es: „Das Bundesministerium veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.“
Die aktuell geltende Übersicht stammt laut FA vom 5. Juli 2011 – ist also bereits 13 Jahre alt. Auch die Behauptung, dass etwa in den Niederlanden mit Deutschland vergleichbare Sicherheitsstandards herrschen, findet der Verein unzutreffend. „Das niederländische Recht trifft indes keine speziellen Regelungen zur Qualitätssicherung beim Arzneimittelversand. Vielmehr vertraut der niederländische Gesetzgeber auf eine freiwillige Selbstkontrolle. Wegen des fehlenden Fremdbesitzverbotes können sich in den Niederlanden überdies große Apothekenketten in Form von Kapitalgesellschaften bilden.“
„Schon als juristische Laien fällt uns auf, dass es zwischen den Ländern deutliche Unterschiede im Apothekenwesen gibt“, so die 1. Vorsitzende Daniela Hänel. „Die Zulassung zum Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach Deutschland zum Beispiel aus den Niederlanden hat zudem mittlerweile Ausmaße angenommen, dass man den Eindruck gewinnen muss, die hiesigen Apotheken würden bewusst aufs Heftigste diskriminiert. Nicht nur jüngst bei den technischen Möglichkeiten des E-Rezepts über das sogenanne CardLink-Verfahren hat es den Anschein, dass das Bundesgesundheitsministerium ausländische Versender bevorzugt.“
Hänel weiter: „Die Länderliste ist aus unserer Sicht seit Einführung als äußerst problematisch anzusehen. Daher haben wir die Kanzlei Brock Müller Ziegenbein (Kiel) beauftragt, eine gutachterliche Stellungnahme zu erstellen. Die Kanzlei hat für uns bereits die Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf das Fixhonorar erhoben. Die gutachterliche Stellungnahme zur Länderliste liegt uns seit kurzem vor.“
Das Fazit der „Gutachterlichen Kurzstellungnahme zur Unvereinbarkeit der arzneimittelrechtlichen „Länderliste“ von Dr. Fiete Kalscheuer und Dr. Nicolas Harding ist laut Hänel eine Bestätigung der jahrelangen Meinung vieler Apothekerinnen und Apotheker.
So heißt es etwa: „Das niederländische Recht genügt nicht den deutschen Sicherheitsstandards im Arzneimittelversand. Die Vorgaben des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG werden insofern nicht gewahrt. Problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass die deutschen Behörden die Vereinbarkeit des niederländischen mit dem deutschen Arzneimittelrecht wegen der ‚Länderliste‘ aus dem Jahr 2011 auf der Grundlage von § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG nicht überprüfen. Die ‚Länderliste‘ stellt verbindlich fest, dass zum Zeitpunkt ihrer Bekanntmachung vergleichbare Sicherheitsstandards in den genannten Mitgliedsstaaten vorlagen.“
Hänel: „Durch die seit 20 Jahren fehlende regelmäßige Überprüfung der Länderliste durch das Bundesgesundheitsministerium werden hiesige Apotheken immens benachteiligt. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die dafür sprechen, dass die Niederlande umgehend aus der Länderliste entfernt werden müssen.“
Beim Justiziariat des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sei bereits ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) mit vier Fragen zur Länderliste gestellt worden, unter anderem „welche Rechtsnatur die Länderliste besitzt und ob niederländische Großversandapotheken in kapitalgesellschaftsrechtlicher Organisation durch niederländische Behörden überwacht werden“. Eine Antwort der Behörde steht laut Hänel noch aus.
Eigentlich müsste der Antrag innerhalb eines Monats beantwortet werden. „Wir werden die Antwort des Ministeriums abwarten. Im Augenblick geht der Vorstand allerdings davon aus, dass wir auch in diesem Fall eine Feststellungsklage auf den Weg bringen werden.“
In der Vergangenheit hatte es bereits ähnliche Vorstöße gegeben. Zuletzt hatte die Apothekerkammer Nordrhein 2019 bei einem Besuch vor Ort festgestellt, dass das damalige Firmengelände von DocMorris so beschildert und angelegt gewesen sei, dass keinerlei Publikumsverkehr möglich sei: „Eine Präsenzapotheke existiert hier nicht“, so Geschäftsführer Dr. Stefan Derix damals mit Verweis auf „aktuelles, umfängliches Dokumentationsmaterial“ – bis hin zum Hinweisschild „Betreten verboten!“.
Die Abda hatte sich schon 2012 für eine Streichung der Länderliste eingesetzt. Kritisiert wurde die mangelnde Kontrolle ausländischer Anbieter: „Eine direkte Überprüfung der Apotheken, die aus diesen Ländern Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland in den Verkehr bringen, wie es sie für Apotheken mit Sitz im Inland gibt, existiert nicht“, so die Abda in ihrer Stellungnahme zur damaligen AMG-Novelle. Passiert ist seitdem nichts,
Auf der Liste stehen derzeit die Niederlande, Island und Großbritannien, aus Schweden dürfen nur verschreibungspflichtige und aus Tschechien nur verschreibungsfreie Medikamente verschickt werden. Faktisch spielen nur die Niederlande mit DocMorris, Shop Apotheke, Apo.com, Disapo und Apotheek Bad Nieuweschans („Spring Versandapotheke“) eine Rolle. Aus Tschechien versenden Volksversand – ein Ableger des Elektronikgroßhändlers Herlinghaus & Weil in Hagen – sowie andere Anbieter, die nach Österreich liefern.
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