EU-Vorgaben

DIN-Norm statt Freiberuflichkeit

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Berlin -

Bislang haben sich die Apotheker erfolgreich gegen Deregulierungsmaßnahmen der EU gewehrt. Experten warnen nun vor einer Liberalisierung durch die Hintertür: Die EU-Kommission könnte über Normierungsvorgaben Einfluss auf die Freien Berufe nehmen, so die Befürchtung von Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Vertreter der freien Heilberufe diskutierten beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit, wie sich die Freiberuflichkeit gegenüber der „marktliberalen Kritik“ der EU-Kommission bewähren kann.

Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), sieht das deutsche Modell der Freiberuflichkeit als „Exportschlager“, der allen Betrachtungen stand halte. Der Apotheker in seiner Apotheke sei ein Qualitätsmodell für die Arzneimittelsicherheit. „Die Ausübung des freien Heilberufs ist ein weiter zu entwickelndes Topmodell für die Apotheken“, so Kiefers Fazit.

Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), ist überzeugt: Der gute Ruf des deutschen Gesundheitswesens ist auch in den Versorgungsstrukturen begründet, die auf der Freiberuflichkeit basieren. Von der Politik forderte er ein Bekenntnis für die freien Berufe und die Selbstverwaltung. „Die Freiberuflichkeit muss supranational gestärkt werden“, fordert Engel mit Blick auf die EU.

Montgomery ist beim Blick in die Zukunft ebenfalls „überhaupt nicht bange“: Die Freiberuflichkeit bedeutet für ihn „das größte Schutzrecht, das Patienten bekommen können“. Montgomery sieht große Chancen, dass das Modell der Freiberuflichkeit aufrecht erhalten bleibt – zumindest in Deutschland. Bedrohungen sieht er aber beim Blick nach Europa: „Hier bin ich leider nicht so optimistisch.“ In den einzelnen Ländern gebe es vollkommen unterschiedliche Rechtsauffassungen.

Die Argumentation der EU-Kommission, in anderen Ländern sei die Sterbequote nicht viel höher, sei zumindest kritisch zu hinterfragen, findet Professor Dr. Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle und Richter am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt. Das Ziel – mehr Wettbewerb und Mobilität – dürfe kein Selbstzweck sein.

Kluth mahnte zu Behutsamkeit bei Deregulierungsmaßnahmen. Die EU verfolge hochgesteckte Ziele, erreiche aber nur 5 bis 10 Prozent davon. Die entstandenen Kollateralschäden würden aber oft nicht gesehen. Allerdings müsse jeder Beruf auch in der Lage sein, sich ändernden Anforderungen anzupassen.

Die Experten warnen vor einer Harmonisierung auf Umwegen: Mit einer echten Harmonisierung sei die EU politisch oft gescheitert, weil man sich nicht einigen konnte. Nun könnte sie durch die Hintertür kommen. Als Beispiel nennt Montgomery den Ansatz von EU-Kommission und –Parlament, die Berufsausübung mit technischen Normen zu harmonisieren.

So sei versucht worden, mit DIN-Vorgaben zu regeln, welche Ausbildung ein Schönheitschirurg haben müsse, und welche Operationen er wie und mit welchem Personal durchführen solle. Die Normierung sei zwar zunächst freiwillig, aber es gebe die „normative Kraft des faktischen Haftungsrecht“: In einem Prozess müsste ein Arzt gegebenenfalls erklären, warum er anders gehandelt habe als die Norm ihm vorgibt. Trotz Freiwilligkeit könnten solche Normen also praktisch verbindlich werden.

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