Apotheker müssen sich fortbilden – so steht es in der Berufsordnung. Es gibt eifrige Apotheker, die ihr gesamtes Berufsleben Punkte und Zertifikate sammeln, und andere, deren Wissen hauptsächlich aus dem Studium stammt. Die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern macht die Fortbildung jetzt zur Pflicht und führt eine „Fortbildungspolizei“ ein: Apotheker, die keine 16 Punkte pro Jahr sammeln, müssen mit berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Auf zwei Kammerversammlungen haben die Apotheker aus dem Nordosten kontrovers über die Pflicht zur Fortbildung diskutiert. Jetzt hat die Kammer einen entsprechenden Beschluss gefasst: „Unser Wissen ist unsere Waffe“, schreibt Vorstandsmitglied Petra Verhoeven jetzt in einem aktuellen Rundschreiben an alle Kollegen. Die Einführung der Fortbildungspflicht sei kein „Schnellschuss“ gewesen, „sondern ein langfristig gewachsener Beschluss“. Sie sei sich sicher, dass alle Kollegen diesen mittragen werden.
Bisher habe die Fortbildung nicht nachgewiesen werden müssen. „Nichtfortbildung blieb ohne Sanktionen“, so Verhoeven. Damit ist in Mecklenburg-Vorpommern jetzt Schluss. „Wir wollen uns einfach anderen Heilberuflern angleichen und sicherstellen, dass alle Apotheker eine Mindestanforderung an Pflichtfortbildung erfüllen“, begründet Verhoeven. „Eine zertifizierte Fortbildung bietet einen fundierten Wissensaufbau“. Verhoeven: „Und, liebe Kollegen, 16 Fortbildungspunkte im Jahr das sind 1,33 Punkte im Monat!!“
Verhoeven stellt sich persönlich hinter dem Beschluss, denn als Standesvertretung werde die Kammer von ihren Mitglieder aufgefordert, „Politiker von der Unverzichtbarkeit der Apotheker, von der hohen Qualität unserer Tätigkeit zu überzeugen und unser Alleinstellungsmerkmal in der Arzneimittelversorgung zu manifestieren“. Verhoeven: „Dazu möchten wir eine gut ausgebildete Apothekerschaft hinter uns wissen, die mit Leidenschaft und Sorgfalt ihren beruf ausübt. Packen wir es an.“
Vom stellvertretenden Kammergeschäftsführer Christian Gillot folgt daraufhin ein Katalog zu den Modalitäten: Der Katalog trat bereits am 6. Juli 2018 in Kraft. Das bedeutet, dass die Fortbildungspflicht bereits 2018 erfüllt werden muss. Die Überprüfung der Fortbildungspflicht erfolge „automatisiert“, heißt es dort weiter. „Ohne Aufforderung der Apothekerkammer“ müssten die Apotheker die jährliche Fortbildung absolvieren. Beginnend mit 2018 müssen Apotheker danach in Mecklenburg-Vorpommern „16 Fortbildungseinheiten“ im Umfang von 45 Minuten nachweisen können.
Jeweils zum Jahresbeginn, erstmals 2019, werde die „Geschäftsstelle den Fortbildungspunktestand“ ermitteln. Apotheker, die ihre Pflicht erfüllt hätten, würden „nicht kontaktiert und müssen auch nichts in dieser Angelegenheit unternehmen“, so Gillot.
Jeden Februar würden die Apotheker, „denen nach Kenntnis der Apothekerkammer“ noch Punkte fehlten, über die Zahl der fehlenden Punkte „schriftlich informiert und zur Nachreichung geeigneter Nachweise bis zum 01.03. aufgefordert“, schreibt Gillot. Dann räumt die Kammer eine Gnadenfrist ein: Sollten Apotheker bis zum 1. März jeden Jahren keine geeigneten Nachweise beibringen können, „kann der fehlende Fortbildungsumfang bis zum 30.06. nachgeholt und nachgereicht werden“.
Leistet Apotheker keinen Gehorsam, droht die Kammer mit Sanktionen: „Konnten bis zum Jahresmitte keine 16 Fortbildungseinheiten nachgewiesen werden, „so liegt ein Verstoß gegen die Berufspflichten“ vor. „Der Vorstand der Apothekerkammer befindet über die Konsequenzen der Verletzung der Berufspflichten“, so die Kammer. Mit welchen Strafen zu rechnen ist, wird nicht mitgeteilt.
Keine Fortbildungspunkte nachweise müssen laut Kammer Apotheker, die „aktuell nicht als Apotheker berufstätig“ sind oder in Elternzeit, in Rente und in dauerhafter Arbeitslosigkeit. Damit dürfte die Pflichtfortbildung auch für angestellte Apotheker außerhalb der Offizin, beispielsweise in Behörden oder der Industrie gelten.
Das Kammerrundschreiben enthält eine Liste mit anerkannten Fortbildungen. Zum Abschluss folgt nochmals eine Erläuterung, was zu beachten ist: „Sie bilden sich weiterhin wie von der Berufsordnung schon immer gefordert jährlich fort und heben die Nachweise dafür auf. Sie achten jetzt darauf, dass Sie für 2018 (und die dann folgenden Jahre jeweils) Fortbildungen im Umfang von 16 Fortbildungseinheiten (das entspricht 12 Zeitstunden reine Fortbildungszeit oder 16 Fortbildungspunkten) nachweisen können. Wenn von der Apothekerkammer aufgefordert, übersenden Sie die Nachweise für den geforderten Fortbildungsumfang an die Geschäftsstelle“, so die Kammer. Mit dieser „Konkretisierung“ hätten die Apotheker „nunmehr Klarheit, in welchem Umfang Fortbildung von uns erwartet wird“.
Apotheker, die dieses Rundschreiben erhalten haben, wundern sich vor allem den „Kommandoton“ des Schreibens. Zumal der Fortbildungswille im Berufsstand ungebrochen ist. Im vergangenen Jahr nahmen laut ABDA rund 167.000 Apotheker und Apothekenmitarbeiter alleine an den mehr als 3300 Fortbildungsveranstaltungen der Kammern und Verbände teil. Das waren mehr Teilnehmer als je zuvor.
„Der Fortbildungswille ist größer als je zuvor. Das ist erfreulich, denn das pharmazeutische Wissen wird täglich größer“, sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK). „Apothekerinnen und Apotheker tragen ebenso wie andere Apothekenmitarbeiter eine große Verantwortung für die Arzneimittelversorgung und nehmen ihre Pflicht zur Fortbildung sehr ernst.“ Nicht berücksichtigt sind die Angebote externer Veranstalter.
Zunehmend würden Fernfortbildungen wie Online-Vorträge genutzt. Hier gab es laut ABDA einen Zuwachs von 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rund ein Drittel aller Teilnehmer nutzt laut ABDA entsprechende Angebote. Ebenfalls gut angenommen werden laut Kiefer die relativ neuen Fortbildungen zum Thema Medikationsmanagement. „In diesem Bereich wollen die Apotheker in Zukunft mehr Aufgaben übernehmen und enger mit der Ärzteschaft zusammenarbeiten“, betonte er.
Regelmäßige Fortbildungen für das Personal sind in vielen Apotheken Standard. Das ergab auch eine APOSCOPE-Umfrage. 31 Prozent der Befragten gaben an, an fünf bis neun Fortbildungen jährlich teilzunehmen, 24 Prozent an 10 bis 14 und ebenso viele nahmen sogar mehr als 15 Fortbildungs-Angebote wahr. Nur eine Minderheit von 20 Prozent absolviert „nur“ bis zu vier Fortbildungen pro Jahr, lediglich 1 Prozent bildet sich nach eigener Aussage nicht fort. PTA sind insgesamt deutlich fleißiger als angestellte Apotheker: Während die Approbierten überwiegend (41 Prozent) fünf bis neun Fortbildungen besuchen, ist jede dritte PTA nach eigener Auskunft mehr als 15 Mal im Jahr aktiv.
Zwei Themen sind eindeutig die Favoriten: Zu Beratungskompetenz (79 Prozent) und zu bestimmten Indikationen (75 Prozent) bilden sich die meisten Angestellten fort. Im Mittelfeld liegen Rezeptur, Medikationsmanagement (je 42 Prozent), Hilfsmittel (33 Prozent) und rechtliche Themen (31 Prozent), mit etwas Abstand folgen Marketing (20 Prozent) und BWL (15,5 Prozent). Auf den hinteren Plätzen landen Mitarbeiterführung, Beschwerdemanagement und Category Management.
Auch in anderen Kammerbezirken war immer wieder über eine Fortbildungspflicht diskutiert worden, unter anderem in Thüringen und Baden-Württemberg. In Österreich brachte Kammerpräsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr das Thema zum Jahreswechsel auf die Agenda. Rund 400.000 Menschen suchten täglich mehr als 1350 öffentliche Apotheken im Alpenland auf. Dabei erwarten sie eine gute fachliche Beratung und eine reibungslose Arzneimittelversorgung. Dem wolle die ÖAK durch eine Fortbildungspflicht für die Apotheker Rechnung tragen.
Pläne für eine pharmazeutische Pflichtfortbildung gibt es nach Angaben von Mursch-Edlmayr bereits seit 2012. Nun sei es an der Zeit, diese umzusetzen. Dabei wolle man sich offenbar am verpflichtenden Fortbildungsnachweis der Ärzte orientieren. Die Kammerpräsidentin zeigte sich überzeugt, dass es nun gelingen könnte, das Vorhaben tatsächlich zu realisieren: „Ich denke, wir haben damit überhaupt kein Problem. Bei unserer letzten zentralen Fortbildungsveranstaltung in Wien waren allein schon zwischen 800 und 900 Apotheker.”
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