Am Freitag ist es ein Jahr her, dass die Freie Apothekerschaft mit ihrer Aktion „Der letzte Kittel“ die Protestbewegung gegen die Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach (SPD) startete. Jetzt gibt es eine neue Offensive: Der Verein sowie vier seiner Mitglieder wollen die Bundesrepublik verklagen, weil das Fixum rechtswidrig weder geprüft noch angepasst worden sei.
Das Fixum nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bildet laut Freier Apothekerschaft nach wie vor die maßgebliche Einnahmequelle für Apotheken. „Trotz Inflation, steigender Kostenquote und immer neuen Aufgabenübertragungen ist der Festzuschlag seit über zehn Jahren nicht erhöht worden und liegt nur geringfügig über dem Niveau im Zeitpunkt seiner Einführung im Jahr 2002.“
Durch die nunmehr seit 20 Jahren andauernde Stagnation bei der Vergütung – gerade einmal 25 Cent mehr gibt es seit 2013 – seien die Apotheken von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt, was eine der Hauptursachen für das weithin sichtbare „Apothekensterben“ in Deutschland sei. „Diese Behandlung eines wichtigen Leistungserbringers im Gesundheitswesen ist beispiellos“, so Daniela Hänel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft.
Dabei ist laut § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) sogar vorgeschrieben, dass die per Rechtsverordnung festgelegten Medikamentenpreise „den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen“ müssen. Und dazu gehören laut Experten aus Patientensicht eben nicht nur, wie man annehmen könnte, möglichst geringe Ausgaben, sondern laut Gesetzestext auch „die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln“.
Eine regelmäßige Überprüfung ist im Gesetz explizit vorgesehen: „Die Umstellung des Apothekenzuschlags auf einen Festzuschlag und einen prozentualen preisabhängigen Zuschlag macht es erforderlich, dass der Festzuschlag in der Regel durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, angepasst werden kann.“ Die Anpassung soll sich dabei an der jeweiligen Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung richten. In der Regel soll eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden.
Weil das nicht passiert ist, hatte Yannick Detampel von der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf, selbst Mitglied der Freien Apothekerschaft, im vergangenen Jahr ein Rechtsgutachten zu den Erfolgsaussichten einer Klage mit dem Ziel einer Anpassung des Festzuschlags in Auftrag gegeben. „Tatsächlich ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht zu einer regelmäßigen Anpassung des Fixbetrages an die Kostenentwicklung der Apotheken gekommen“, heißt es in der Analyse von Dr. Fiete Kalscheuer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, von der Kanzlei Brock Müller Ziegenbein. Der Fixpreis liege lediglich 3,09 Prozent höher als vor 19 Jahren. Damit sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein erheblicher Kaufkraftverlust zu verzeichnen. Diese Entwicklung drohe sich angesichts der derzeit hohen Inflationsraten weiter zu verstärken.
Vor diesem Hintergrund hat die Freie Apothekerschaft jetzt das Team um Kalscheuer mit der Einreichung einer Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland beauftragt. Als Kläger treten vier Mitglieder auf. Sprecher des Klagekonsortiums ist Vorstandsmitglied Reinhard Rokitta. Die Klage wird dem Verwaltungsgericht Berlin Anfang April zugestellt.
„Recht haben und Recht bekommen, sind bekanntlich zweierlei. Dennoch gehen wir das Risiko einer Klage ein, auch wenn wir wissen, dass nach der Erhöhung des Kassenabschlags, dem Skonto-Urteil und den weiter steigenden Kosten viele Apotheken das wie auch immer geartete Urteil nicht mehr erleben werden“, so Hänel. „Wir stehen aber mit dem Rücken zur Wand, daher müssen die Zeiten des Hinhaltens der Politik und das bloße Zuschauen der Berufsvertretung vorbei sein. Man darf sich nicht alles gefallen lassen – und dafür steht die Freie Apothekerschaft.“
Gestützt wird die Klage durch ein umfassendes ökonomisches Gutachten von Professor Dr. Andreas Kaapke aus Ludwigsburg. Nachdem das vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene sogenannte 2hm-Gutachten aus dem Jahr 2017 in der Fachwelt aufgrund methodischer Mängel, falscher Grundannahmen zur ökonomischen Situation der Apotheken und einer unzureichenden Berücksichtigung ihres gesetzlichen Versorgungsauftrags heftiger Kritik ausgesetzt war, existiere mit dem neuen Gutachten nunmehr eine „aktuelle, wissenschaftlich fundierte ökonomische Untersuchung zum Anpassungsbedarf des Apothekenhonorars“.
Kalscheuer hatte in seinem Kurzgutachten darauf hingewiesen, dass man das 2hm-Papier mit substanziellen Argumenten gegengutachterlich in Frage stellen müsse, wenn man sich vor Gericht streiten wolle. Die Regierungsexperten hatten damals unter anderem berrechnet, dass die prozentuale Spanne zwar von 3 auf 5 Prozent erhöht werden, der Fixzuschlag dagegen von 8,35 Euro auf 5,84 Euro reduziert werden müsste. Das ist übrigens das Gegenteil dessen, was Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner jetzigen Apothekenreform vorhat.
Laut Hänel gibt es noch weitere offene Baustellen, die „eventuell auch nur auf dem Klageweg beendet werden können“. Daher seien bereits weitere Themen in der anwaltlichen Prüfung, etwa die Erhöhung des Kassenabschlags durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.
Hänel: „Die im Vergleich mit allen anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen unverhältnismäßige Belastung der Apothekerinnen und Apotheker muss ein Ende haben. Wir freuen uns über jedes neue Mitglied, das uns in unseren Bemühungen unterstützt.“
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