Die Entscheidung des Deutschen Ärztetages, das Fernbehandlungsverbot zu lockern, erhält derzeit Applaus von allen Seiten. Insbesondere für die Telemedizin-Anbieter ist sie ein Meilenstein, dem weitere Forderungen nachfolgen. Doch es wird auch gemahnt.
Mit Genugtuung dürfte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Beschluss aufgenommen haben, ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen doch eines seiner Steckenpferde. Noch während der Sitzung schickte er per SMS Glückwünsche in den Sitzungssaal. Seine Amtskollegen auf Landesebene begrüßten die Entscheidung der Ärzte ebenfalls: „Ich bin überzeugt, dass dies eine wichtige Chance für die Ergänzung der bisherigen Versorgungsformen darstellt und dass Ärztinnen und Ärzte von dieser Möglichkeit verantwortungsvoll Gebrauch machen werden“, zeigte sich Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) zuversichtlich. Telemedizin könne dabei „eine Brücke zwischen ambulantem und stationärem Sektor sowie zwischen ländlichem Raum und Spezialisten in Ballungsgebieten schlagen“.
Auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) begrüßte die Änderung der Musterberufsordnung, mahnte jedoch an, dass der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt weiter an erster Stelle stehen müsse: „Klar muss aber sein: Ausschließliche ‚Skype-Doktoren‘ – womöglich noch kommerzialisiert in der Hand von privaten Konzernen – darf es nicht geben. Wir werden deshalb die weitere Entwicklung genau beobachten.“
Dieser Mahnung schließt sich die Freie Ärzteschaft an. „Fernbehandlung soll nicht die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens durch kapitalorientierte Gesellschaften verstärken und beispielsweise in Callcentern stattfinden“, sagte ihr Vorsitzender Wieland Dietrich. „Die Fernbehandlung wird in anderen Ländern als Sparmaßnahme eingesetzt - das wollen die Ärzte in Deutschland nicht.“
„Sehr skeptisch“ sieht die Ärzteschaft auch ärztliche Verordnungen, beispielsweise von Medikamenten, Physiotherapien oder Soziotherapien, sowie Überweisungen durch ausschließliche Fernbehandlung. Ob dies künftig möglich sein soll, müsse die Bundesärztekammer nun prüfen.
Für Barmer-Chef Christoph Straub handelt es sich um einen „wichtigen Schritt in die digitale Zukunft der Medizin“, der „große Chancen für eine weitere Säule der Versorgung“ darstellt. „Jetzt muss eine bundesweit einheitliche Regelung die derzeitigen regionalen Ansätze harmonisieren“, fordert er. Es dürfe aus Sicht der Barmer nicht bei unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern bleiben. „Den Patienten wäre nicht zu vermitteln, wenn beispielsweise Schleswig-Holstein eine ärztliche Online-Beratung möglich sei und in Brandenburg nicht.“
Für das Arztbewertungsportal Jameda ist der Schritt die Erlaubnis, seine Angebotspalette auszubauen. Entsprechend groß ist die Zustimmung: „Wir freuen uns sehr, dass die Bundesärztekammer an ihrem Vorhaben festgehalten und der Fernbehandlung in Deutschland ihren benötigten Freiraum gegeben hat.“
Den Ärzten und Patienten, die bei Jameda registriert sind, könne man „ab sofort weitere und noch bessere Einsatzmöglichkeiten für die Online Video-Sprechstunde anbieten“. „Wir glauben fest daran, dass der Beschluss der Bundesärztekammer für Aufwind im Ausbau der Fernbehandlung sorgen wird.“
Genauso freut man sich erwartungsgemäß beim Online-Portal DrEd, das sich selbst als Vorreiter für telemedizinische Leistungen in Deutschland sieht. Allein durch diese ließen sich schätzungsweise ein Drittel aller Arzttermine auffangen, so Geschäftsführer David Meinertz. Doch selbst er mahnt: Dabei sind telemedizinische Leistungen eine Ergänzung zum Arzt vor Ort – sie ersetzen ihn nicht.“ Dennoch fordert er in Richtung Krankenkassen: „Die Erstattung telemedizinischer Leistungen ist der nächste logische Schritt, um Patienten den Zugang zu Online-Beratungen und Behandlungen zu erleichtern.“
Hoffnung verbindet auch der Schweizer Telemedizin-Anbieter Medi24. „Mit der Lockerung des Fernbehandlungsverbots wird die Telemedizin rasch Verbreitung finden“, prognostiziert Geschäftsführer Angelo Eggli. Bereits seit einiger Zeit registriere man vermehrte Anfragen deutscher Krankenversicherer, „die unsere Erfahrungen nutzen wollen“. Entsprechend stehe nun die Expansion nach Deutschland auf dem Plan: „Medi24 ist vorbereitet, um nach dem positiven Entscheid am Deutschen Ärztetag seine Kapazitäten schnell hochzufahren.“
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