FDP

„Wir werden auf die Apotheker zugehen“

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Berlin -

Nach ihren Wahlerfolgen in Bremen und Hamburg sieht sich die FDP im Aufwind. Auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende spielten Gesundheitsthemen zwar nur eine untergeordnete Rolle. Doch die Liberalen wollen in den kommenden Monaten ihr gesundheitspolitisches Profil schärfen. Die ersten Köpfe bringen sich in Stellung.

Das Desaster bei der Bundestagswahl 2013 hatte bei der FDP nicht nur zu einer Identitätskrise geführt, sondern auch personell ins Kontor geschlagen. Die führenden Gesundheitspolitiker haben sich in die Wirtschaft abgesetzt: Daniel Bahr und Heinz Lanfermann sind bei der PKV untergekommen, Ulrike Flach bei der Compugroup. Christine Aschenberg-Dugnus und Lars Lindemann sind als Lobbyisten unterwegs.

Das Vakuum nutzt der ehemalige schleswig-holsteinische Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg. Als FDP-Landeschef brachte er beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende einen Antrag „für freie Ärzte, Apotheker und Therapeuten“ ein. Das Papier greift vor allem den Unmut der Mediziner in Sachen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) auf: Termin-Servicestellen, Zwangsschließungen von Praxen und Regresse werden kritisiert.

„Wir wollten damit einige Pflöcke einschlagen“, sagt Garg. An der Gesundheitspolitik des einstigen schwarzen Koalitionspartners lässt er kein gutes Haar: „An die großen Themen traut sich diese Bundesregierung nicht heran“, sagt er. Sie drehe nur an kleinen Stellschrauben. Für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat er nach eigenem Bekunden zwar „Respekt“. Dessen Politik hält er aber für „mutlos“.

In Gargs Antrag kommen die Apotheker nur in der Überschrift vor – obwohl sie seiner Meinung nach einen wesentlichen Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten. Garg ist sich bewusst, dass die Pharmazeuten mit der Gesundheitspolitik der FDP in der Vergangenheit nicht zufrieden waren. „Wir haben keine Fehler gemacht, aber viele Chancen vertan“, sagt er. Nach der Bundestagswahl 2009 hätten sich die Apotheker schnell von der Partei abgewandt. „Das kann ich teilweise nachvollziehen.“ Er wolle sich deshalb schon bald mit den Standesvertretern zusammensetzen.

„Wir wollen neu und frei denken“, fasst Garg die neue Linie der FDP auch in Sachen Gesundheitspolitik zusammen. Die ideologischen Scheuklappen der Vergangenheit werde es nicht mehr geben – man wolle schließlich nicht länger als Klientelpartei wahrgenommen werden. Trotzdem habe die Freiberuflichkeit für seine Partei weiter einen hohen Stellenwert. Aus seiner Zeit als Landesminister weiß er um die Sorgen und Befindlichkeiten der Leistungserbringer, insbesondere der niedergelassenen Ärzte. Sie sind aus seiner Sicht die „Steuerleute“ im Gesundheitssystem – in ihre Therapiefreiheit will er deshalb nicht weiter eingreifen.

Seinen Parteifreunden will er bereits in einigen Monaten ein Grundsatzpapier vorlegen, das die neuen gesundheitspolitischen Leitlinien der FDP enthält. Bis zur nächsten Bundestagswahl werde die Partei ein „modernes gesundheitspolitisches Angebot“ haben. Die größte Herausforderung ist aus Sicht von Garg der demografische Wandel. Die entscheidende Frage laute: „Wie können wir unsere alternde Bevölkerung auf Dauer medizinisch hochwertig versorgen?“

Entscheidend ist nach Meinung des FDP-Politikers, der auch Fraktionsgeschäftsführer im Kieler Landtag ist, dass die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Die demografische Entwicklung mache schließlich auch vor Apothekern und Ärzten nicht Halt. „Nicht nur die Finanzen sind begrenzt – auch das Personal.“ Als Ex-Minister eines Flächenlands weiß er um die großen regionalen Unterschiede in der Versorgungslandschaft.

Von Apothekenbussen oder Pick-up in unterversorgten Gebieten hält Garg nach wie vor wenig. „Da habe ich extreme Bauchschmerzen.“ Auch wenn er sich für die wohnortnahe Apotheke stark mache, wolle er aber für die Zukunft „nichts ausschließen“ – gerade was die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land betrifft. So will er beispielsweise über die Delegation ärztlicher Leistungen sprechen, zum Beispiel bei der Grippeschutzimpfung: „Ich kann mir vorstellen, dass Apotheker das machen.“

Wenn sich die Versorgungslandschaft ändere, müssten sich die Heilberufler stärker vernetzen, so Gargs Argument. Ihm schweben finanzielle Anreize für die intersektorale Zusammenarbeit vor – beispielsweise Regionalbudgets. Alle Heilberufler planen dabei zusammen die Gesundheitsversorgung und verwalten ein gemeinsames Budget. Dies sei bereits in Modellversuchen praktiziert worden.

Im Gesundheitssystem sieht Garg außerdem noch viel Sparpotenzial. Die festen Packungsgrößen bei den Arzneimitteln in Deutschland fallen ihm spontan ein. Er verweist auf die USA, wo Tabletten nach dem individuellen Bedarf einzeln abgefüllt und abgegeben werden.

Garg glaubt fest daran, dass die FDP 2017 wieder in den Bundestag einziehen kann. Genug geeignetes Personal sei nach wie vor vorhanden – auch im Bereich der Gesundheitspolitik. Garg selbst wurde beim Parteitag in Berlin als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. In der Gesundheitspolitik hat er nach eigener Aussage derzeit ohnehin den Hut in seiner Partei auf.

Die FDP war bei der Bundestagswahl im September 2013 aus dem Bundestag geflogen: Nur 4,8 Prozent der Wähler hatten den Liberalen ihre Stimme gegeben, nach 14,6 Prozent bei der Wahl 2009. Der damalige Parteichef Philipp Rösler musste seinen Hut nehmen und arbeitet heute für das Weltwirtschaftsforum. Seine Nachfolge trat der ehemalige Generalsekretär und NRW-Landesvorsitzende Christian Lindner an.

Bei Wahlumfragen von APOTHEKE ADHOC hatten die Liberalen 2009 noch 44,5 Prozent der Stimmen geholt, Bahr sahen 32,2 Prozent als Gesundheitsminister. Vor der Bundestagswahl 2013 war die Partei auf 11 Prozent abgestürzt, Bahr hielt sich immerhin bei 20 Prozent.

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