Die Ampel-Koalition ist Geschichte, der Wahlkampf hat begonnen. Bereits am 23. Februar stehen die Neuwahlen an – wenig Zeit für die Parteien, um ihre politischen Programme zu erarbeiten und der Bevölkerung zu vermitteln. Laut aktuellen Umfragen liegt die FDP derzeit bei rund 4 Prozent und hätte damit kaum Chancen, erneut in den Bundestag einzuziehen. Dennoch arbeitet die Partei intensiv an ihrem gesundheitspolitischen Programm für die kommende Legislaturperiode. Zwar ist das Programm noch nicht finalisiert, doch die parlamentarische Geschäftsführerin Christine Aschenberg-Dugnus und der gesundheitspolitische Sprecher Professor Dr. Andrew Ullmann geben bereits einen ersten Einblick.
„Unser Ziel bleibt es, die freien Berufe im Gesundheitswesen zu stärken, einschließlich der Apotheker, und die Selbstverwaltung gegenüber staatsmedizinischen Eingriffen zu schützen“, fasst Aschenberg-Dugnus auf Anfrage zusammen. Für die Politikerin sind alle freien Gesundheitsberufe gleichwertig – eine Hierarchie möchte sie nicht aufstellen. Schließlich hätten die Berufe alle ähnliche Probleme, erklärt sie, unabhängig davon, ob es sich um Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte oder Apothekerinnen und Apotheker handelt.
An oberster Stelle steht für die FDP-Politikerin die überbordende Bürokratie im gesamten Gesundheitswesen. Viel Zeit und Ressourcen würden in bürokratische Aufgaben fließen, die weder mit der Patientensicherheit noch mit der Wirtschaftlichkeit zu rechtfertigen seien, erklärt sie.
Auch die Beschäftigten selbst würden ihr dies immer wieder bestätigen: „Bei Besuchen in Praxen und Apotheken habe ich immer wieder Beispiele für unnötige Bürokratie gesammelt. Die bürokratischen Hürden wurden mir von allen Gesundheitsdienstleistern als das größte Hindernis genannt, gefolgt vom Fachkräftemangel. Es handelt sich um einen enormen Misstrauensaufwand, bei dem alles bis ins kleinste Detail reglementiert und überprüft wird. Dies hindert auch viele daran, ihre Apotheke oder Praxis insbesondere im Alter weiterzuführen, da sie mit diesem ‚bürokratischen Irrsinn‘ konfrontiert sind.“
Eigentlich hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mehrfach angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode ein großes Entbürokratisierungsgesetz auf den Weg zu bringen. Doch dazu kam es nicht – sehr zur Verärgerung der Politikerin: „Die Entbürokratisierung des gesamten Gesundheitswesens war bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. Ich habe mehrfach im BMG nachgefragt und Druck gemacht, doch es kam nichts.“ Trotzdem hofft die FDP-Politikerin, dass sich noch in dieser Legislatur ein Fortschritt erzielen lässt. „Andernfalls setzen wir uns in der nächsten dafür ein“, verspricht sie.
Ach für Parteikollege Ullmann ist Bürokratieabbau eine Priorität: „Es ist dringend notwendig, Fachkräfte von unnötiger Verwaltungsarbeit zu entlasten und die Rahmenbedingungen für Ärzte und Ärztinnen, Pflegekräfte und andere Heilberufe zu verbessern.“ Darüber hinaus müsse man zentrale Herausforderungen wie den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel, die schleppende Digitalisierung sowie ineffiziente Strukturen und steigende Kosten angehen, erklärt Ullmann.
„Bei den Apotheken ist viel liegengeblieben und wir müssen endlich eine tragfähige Struktur für die Zukunft aufbauen“, räumt Ullmann ein. Dazu gehöre auch eine angepasste Finanzierung der pharmazeutischen Leistungen, betont er. Der Gesetzgeber sei hier in der Pflicht. Gemeinsam mit den Apothekern müsse das Berufsbild weiterentwickelt werden. Zukünftig könnten Apotheken stärker in die Prävention eingebunden werden.
Außerdem sei eine bessere Vernetzung der nichtärztlichen Heilberufe mit der Ärzteschaft erforderlich, erklärt Ullmann. „Niederschwellige Beratungen müssen nicht immer von Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Präventionsuntersuchungen und -beratungen sind gute Beispiele, die nicht unbedingt in einer Arztpraxis stattfinden müssen.“
Auch das Impfen in Apotheken sei eine mögliche Option, so Aschenberg-Dugnus. Sie stellt noch einmal klar: „Es bleibt dabei: Eine Apotheke ohne Apotheker werden wir nicht mittragen.“
Ein zweiter großer Baustein ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. „Wir müssen jetzt die Vorteile der elektronischen Patientenakte in gesunde Lebenszeit umsetzen und die Telemedizin muss stärker im System implementiert werden“, appelliert Ullmann. Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) könnten nicht nur die Qualität der Versorgung verbessern, sondern auch den Zugang zu medizinischen Leistungen, insbesondere in ländlichen Regionen, erleichtern, erklärt der Politiker.
Seine Parteikollegin mahnt aber zur Vorsicht: „Das E-Rezept zeigt zwar, dass es funktioniert, aber es muss erst gründlich getestet werden – und das darf nicht zulasten der Leistungserbringer gehen“, sagt Aschenberg-Dugnus. Es sei besser, den Rollout später zu starten, als die Leistungserbringer im laufenden Betrieb testen zu lassen.
Um Lieferengpässe nachhaltig zu beheben und einen großen Problemfaktor für die Apotheken zu beseitigen, müsse Deutschland auch wieder für die Produktion attraktiver werden. Darüber hinaus wolle die FDP Innovationen in Deutschland weiter fördern. Das Medizinforschungsgesetz (MFG) sei bereits ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Mehr Innovationen im Pharmabereich würden auch den Apotheken zugutekommen, argumentiert Aschenberg-Dugnus: „Neue Medikamente werden schließlich über die Apotheke vertrieben und betreffen somit direkt die Apothekenumsätze.“
Das große Problem im Gesundheitswesen ist vor allem die Finanzierung. Das Defizit der GKV wächst Jahr für Jahr, und die Beitragssätze steigen stetig weiter. Zur Entlastung und Stabilisierung will die FDP, ähnlich wie die CDU/CSU, auf mehr Eigenverantwortung der Versicherten setzen, etwa durch den Ausbau von Bonusprogrammen. Ein weiterer wichtiger Hebel sei die Förderung von Prävention, um Krankheiten frühzeitig zu vermeiden.
Außerdem sei es notwendig, Haus- und Fachärzt:innen zu entbudgetieren. Nur so könne der Fachkräftemangel in den Griff bekommen werden. Darüber hinaus sprechen sich die Politiker für die Einführung eines freiwilligen Primärarztsystems aus, um Doppeluntersuchungen sowie unnötige Belastungen für hochspezialisierte Einrichtungen zu reduzieren.