FDP-Politiker: „Hier muss sich etwas ändern“ Patrick Hollstein, 03.09.2024 15:15 Uhr
Die FDP bleibt bei ihrem Nein zur Apotheke light: „Apotheken ohne Apotheker wird es mit uns nicht geben“, sagte der Bundestagsabgeordnete Jens Teutrine beim Apothekenbesuch in seinem Wahlkreis.
Die Mitarbeiterin hat nach der Ausbildung gekündigt, um umzuschulen. Nicht etwa, weil sie sich in der Berufswahl vertan hätte. Sondern weil sie als Pflegefachkraft schon beim Berufseinstieg 30 Prozent mehr verdienen kann als in der Apotheke, wo sie als PTA angestellt war. Mit den Löhnen in der Pflege kann ihr Chef, Apotheker Edward Mosch, nicht mithalten: Die staatlich geregelte Apothekenvergütung ist von der Politik seit 20 Jahren nicht mehr nennenswert erhöht worden. „Wir Inhaber würden unseren Mitarbeitern für die hervorragende Arbeit liebend gern mehr bezahlen, können das aber nach 20 Jahren Stagnation nicht.“
Die ist nur eines von mehreren Beispielen, mit denen der Kreisvertrauensapotheker und sein Kollege Jens Kosmiky, Vorsitzender der Bezirksgruppe Herford im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), dem Bundestagsabgeordneten bei seinem Besuch in der Markt-Apotheke Vlotho verdeutlichen wollten, wie schwierig die wirtschaftliche Lage der Apotheken vor Ort ist.
Chronische Unterfinanzierung
„10 Prozent der Apotheken sind mittlerweile defizitär, ein Drittel ist wirtschaftlich gefährdet“, so Kosmiky. Das flächendeckende Netz der Apotheken vor Ort drohe immer weiter auszudünnen. „Das ist ein Risiko für die sichere Patientenversorgung.“ Er warnt zugleich: „Die Lage wird sich noch mehr zuspitzen, wenn die Apothekenreform umgesetzt wird, die das Bundesgesundheitsministerium plant.“
Denn Apotheken würden von der Umverteilung maximal mit einem niedrigen vierstelligen Betrag profitieren. „Damit ist keine Apotheke zu retten, wohl aber geraten weitere in wirtschaftliche Schieflage und das Netz dünnt immer mehr aus“, so Kosmiky. „Das Apothekensterben wird sich dadurch noch beschleunigen. Eine Umverteilung hilft nicht, das System ist schlicht unterfinanziert“, ergänzt Mosch.
Kosten zu reduzieren, indem in Apotheken nur noch wenige Stunden pro Woche ein Apotheker anwesend sein muss, sind aus Sicht der beiden Pharmazeuten auch keine Lösung: „Helfen wird das nichts, denn auch die PTA sind ein Mangelberuf. Es gibt nicht genügend Fachkräfte, die die Apotheker ersetzen können“, so Kosmiky. „Und wenn PTA zusätzliche Verantwortung übernehmen, werden sie völlig zu Recht auch entsprechend honoriert werden wollen. Kosten können wir damit also nicht sparen.“
Stattdessen werde die Versorgung der Patienten verschlechtert: Ohne Apotheker gebe es nämlich keine Medikationsberatungen mehr und keine Impfungen. Es dürften keine starken Schmerzmittel mehr abgegeben und keine Palliativpatienten versorgt werden. Weder könnten Apotheken Impfungen durchführen noch individuelle Rezepturen wie Salben und Cremes vor Ort herstellen. „Das bedeutet für die Patienten in der Fläche Leistungskürzungen und führt letztlich zu einer Zwei-Klassen-Versorgung. Zudem ist das Vorhaben ein Risiko für die Sicherheit der Patienten“, so Mosch.
Weg hin zu Ketten
Kosmiky und Mosch warnten auch vor der Idee, dass ein Inhaber künftig bis zu sechs Apotheken besitzen darf, die nicht mehr in räumlicher Nähe zueinander liegen müssen und in denen auch kein Filialleiter eingesetzt werden muss. „Damit wird der Weg hin zu großen Apothekenketten geebnet, die von Fremdkapital und damit den wirtschaftlichen Interessen von Aktionären gesteuert werden“, so die Apotheker. „Wir wissen aus anderen Ländern, dass die Versorgung der Menschen dadurch nicht besser, sondern schlechter wird“, so Mosch, der gemeinsam mit Kosmiky weitere Schwachstellen aufzählte.
Für Teutrine waren es die fehlenden Puzzleteile, die ein klares Gesamtbild der Reform ergeben. Der Bundesgesundheitsminister skizziere eine Darstellung, die nicht mit der Realität vor Ort übereinstimme. Eines versichert der FDP-Bundestagsabgeordnete: „Apotheken ohne Apotheker wird es mit unserer Fraktion nicht geben.“
Teutrine hat sich vorgenommen, keine leeren Versprechungen zu machen und auch keine Sonntagsreden zu halten, sondern hinzuhören, wo es brennt. „Apotheken sind, gerade im ländlichen Raum, ein existenzieller Teil der Daseinsvorsorge. Es ist nachvollziehbar, dass es die Menschen bewegt, wenn nach dem letzten Bäcker oder dem letzten Kiosk auch noch die letzte Apotheke schließt – und das, obwohl der Bedarf existiert. Es verunsichert, wenn Arzneimittel nicht zur Verfügung stehen und weite Strecken für die medizinische Versorgung in Kauf genommen werden müssen.“
„Die goldenen Jahre der Apotheken sind vorbei. Einfach von der eine Apotheke zu der anderen umzuverteilen, ist keine Lösung. Nicht nur die unnötige Bürokratie hält von wichtiger Arbeit ab und belastet unnötig. Auch die fehlende wirtschaftliche Planbarkeit frustriert. Hier muss sich etwas ändern“, resümiert der Abgeordnete nach dem Gespräch.
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