„Wie kommen die Engpässe zustande?“

FDP-Abgeordneter besucht Charly-Apotheke

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Berlin -

Karlheinz Busen, Mitglied des Bundestages (FDP), besuchte am 5. Oktober die in seinem Wahlkreis gelegene Charly-Apotheke in Gronau in Westfalen. In Begleitung von Sergej Kernebeck, Vorsitzender der Gronauer FDP, wollten sich die Politiker ein eigenes Bild von den Arzneimittel-Engpässen direkt an der Basis bei Inhaber Felix Wiegert machen.

Busen, selbst mehrfacher Großvater, kann sich laut Wiegert an die Fiebermittel-Engpässe im vergangenen Winter noch gut erinnern: „Dass es auch in diesem Winter zu weitreichenden Lieferengpässen bei wichtigen Arzneimitteln kommen kann, wird aktuell auch immer mehr Thema im politischen Berlin.“ Nach Beschwichtigungen durch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will er sich nun direkt an der Basis selbst ein Bild machen. Dazu erkundigte er sich vor Ort direkt bei Apothekeninhaber Wiegert.

Wiegert warnt: „Wir müssen im kommenden Winter mit einem erheblichen Infektgeschehen rechnen. Die aktuelle heftige Grippesaison in Australien ist ein guter Indikator dafür, dass auch wir in Deutschland mit einer starken Grippewelle rechnen müssen. Die Grippewelle wandert sozusagen einmal um den Erdball. Auch Corona-Infektionen und Infektionen mit dem RS-Virus werden im Winter wieder deutlich ansteigen.“

Zu dieser problematischen Ausgangssituation werden dann noch deutschlandweit größere Arzneimittel-Engpässe kommen, vor allem im Bereich der Antibiotika: „Beides ist für sich genommen schon schwierig. Zusammengenommen kann dies aber noch deutlich problematischer werden“, so Wiegert.

Gründe für die Engpässe

Busen erkundigte sich nach den Gründen und bezog sich dabei vor allem auch auf die von Lauterbach in Aussicht gestellte Besserung der Engpässe. Wiegert erklärt: „Teilweise wurde im Bereich der Kinderarzneimittel von Lauterbach etwas nachgebessert, strukturell bleiben die Lieferketten aber gestört und die Lieferengpässe werden daher bestehen bleiben.“ Lauterbach habe in den letzten Wochen mit „Hau-Ruck-Aktionen“ und der Schaffung von neuen Arbeitskreisen versucht, das Problem anzugehen. „Dies ist purer Aktionismus, macht das System nur noch kopflastiger und wird nicht reichen“, ist sich Wiegert sicher. „Die Arzneimittelbestände in den meisten deutschen Apotheken sind in vielen Bereichen stark reduziert, was sich auch in den immer länger werdenden Defektlisten der Apotheken widerspiegelt.“

Busen wollte daraufhin näheres zum Scheitern der erfolgreichen Beseitigung der Lieferengpässe wissen und wieso nicht mehr getan werde. „Es fehlt schlicht und ergreifend am Geld. Der Gesundheitsminister verweist bei uns Apothekern wie auch bei den Ärzten immer wieder darauf, dass die Kassen leer sind“, so Wiegert. Für das Lieblingsprojekt „Gesundheits-Kioske“ scheine Geld jedoch kein Problem zu sein. „Dabei ist immer noch nicht ganz klar, welche Leistungen diese Kioske erbringen sollen, die beispielsweise Apotheken nicht genauso gut oder besser erbringen können bzw. jeden Tag bereits erbringen“, so der Inhaber. Er fragt sich, „wo das Personal herkommen soll“, während alle im Gesundheitssystem „händeringend Personal suchen“.

Apotheken sind wichtig

Laut Wiegert haben die Apotheken in Deutschland jährlich etwa eine Milliarde Kundenkontakte: „Das zeigt die Bedeutung der Apotheken für die Bürger:innen. Allerdings sinkt die Zahl aktuell sehr schnell.“ Nach einer Prognose der Abda werden gegen Ende dieses Jahres etwa 600 Apotheken in Deutschland für immer schließen. „Das sind fast zwei Apotheken pro Tag“, so Wiegert. Auch Gronau bleibe von diesem Trend nicht verschont: „In den vergangenen zwei Jahren haben bereits zwei Apotheken in Gronau geschlossen. Die Arbeit wird damit auf weniger Schultern verteilt, es müssen mehr Notdienste geleistet werden, und es steht zu befürchten, dass noch weitere Apotheken in Gronau-Epe schließen werden“, so der Inhaber.

Die Apotheken seien in der Vergangenheit, insbesondere in den Corona-Jahren, immer wieder die „Feuerwehr des Gesundheitswesen“ gewesen: „Wenn Not am Mann war, haben wir mit angepackt, um Lücken zu schließen. Die 1000-fachen Ausstellungen von Impfzertifikaten im Akkord oder die Corona-Impfungen in den Apotheken sind nur zwei Beispiele von vielen“, so Wiegert. Er warnt: „Bei stetig fallenden Apothekenzahlen werden Apotheken diese Aufgabe perspektivisch nicht mehr wahrnehmen können, mit entsprechenden Folgen für die Menschen in Deutschland.“

Status quo

Busen interessierte sich laut Wiegert auch für die konkrete Situation in Gronau: „Wie wird die Versorgung im kommenden Winter in Gronau-Epe aussehen?“ Wiegert habe sich bestmöglich vorbereitet: „Wir haben im Team in allen drei Apotheken des Filialverbundes die vergangenen sechs Monate intensiv genutzt, um in problematischen Bereichen Notvorräte aufzubauen und neue Engpässe zu antizipieren.“ Im Sommer seien immer mal wieder einzelne Arzneimittel für kurze Momente – manchmal nur Minuten – bei einzelnen Großhändlern bzw. Herstellern lieferbar gewesen. „Wir haben es mit riesigem personellen und erheblichem finanziellem Aufwand geschafft, Packung für Packung der dringend benötigten Arzneimittel zu bekommen und Reserven für die Erkältungssaison aufzubauen“, so der Apotheker. Bevor es in die arbeitsreiche Erkältungssaison gehe, sei man „eigentlich schon urlaubsreif“, scherzt Wiegert.

Der Abgeordnete zeigte sich laut dem Apotheker insgesamt tief besorgt über die Entwicklung der Apotheken in Deutschland: „Deutschland war mal die Apotheke der Welt und jetzt können wir nicht einmal mehr die eigene Bevölkerung ausreichend mit Arzneimitteln versorgen.“ Er setze sich stark dafür ein, „der Industrie im Allgemeinen und der speziellen Pharmaindustrie den Rücken zu stärken“, um die Arzneimittelproduktion wieder zurück nach Deutschland bzw. Europa zu holen, so Wiegert. „Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen mit China, die immer unkalkulierbarer werden, ist es unverantwortlich, sich nahezu vollständig mit der Antibiotika-Versorgung durch China abhängig zu machen“, so Busen im Gespräch mit Wiegert.

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