Jamaika ist gescheitert, bevor es begann: Die FDP hat sich um kurz vor Mitternacht aus den Sondierungsgesprächen mit CDU, CSU und Grünen zurückgezogen. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Die SPD hat der Alternative, einer Fortsetzung der großen Koalition, bereits eine Absage erteilt. Damit bleiben als Optionen Neuwahlen oder eine CDU-geführte Minderheitsregierung.
Lindner zufolge sei es nicht gelungen, eine Vertrauensbasis oder eine gemeinsame Idee für die Modernisierung des Landes zu finden. „Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären“, so Lindner. Den Geist des Sondierungspapiers könne die FDP nicht verantworten. „Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das wofür wir Jahre gearbeitet haben“, so der Parteichef.
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bedauerte das Scheitern der Gespräche. „Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland“, sagte Merkel. Aber sie will Verantwortung übernehmen: „Ich als Bundeskanzlerin werde alles tun, dass dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“ Das klingt zumindest vorerst nicht nach Rücktritt.
In einer schwierigen Situation ist jetzt auch CSU-Chef Horst Seehofer. Bei einer gemeinsamen Erklärung mit Merkel sagte er, eine Einigung sei zum Greifen nahe gewesen. Vor dem bevorstehenden Parteitag der CSU könnte Seehofer am Ende seiner politischen Karriere angekommen sein. Seine Worte gegenüber der Kanzlerin klangen ungewohnt versöhnlich: „Danke Angela Merkel für diese vier Wochen.“
Vor einem politischen Scherbenhaufen stehen vorerst auch die Grünen, die das Vorgehen der FDP ebenfalls kritisierten. Parteichef Cem Özdemir sagte bei einer Pressekonferenz, der FDP habe die Bereitschaft für Jamaika nicht erst heute Abend gefehlt. Jürgen Trittin fügte hinzu: „Das ist klar, dass wir in einer Situation sind, in der das Land zum ersten Mal mit einer geschäftsführenden Regierung lange Zeit wird leben müssen. Es sei denn, die SPD kommt aus der Politikverweigerung raus.“
SPD-Vorstand Ralf Stegner sagte im Deutschlandfunk, die SPD stehe auch unter den veränderten Verhältnissen nicht für eine neue große Koalition zur Verfügung. Dafür habe der Wähler keinen Auftrag erteilt.
Sein Parteikollege Karl Lauterbach twitterte in der Nacht: „Krasse Arroganz. Weil FDP Einkommensstarke nicht genug beschenken kann lässt Showman Lindner Jamaika platzen.“ Stunden zuvor hatte er über den Kurznachrichtendienst bereits verbreitet: „Merkels Autorität geht zu Ende. Verhandlung ein Krampf, sie schon mehr Zuschauer als Akteur. Politik als Basar. Das wird kein großer Wurf.“
Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, forderte die SPD auf, die richtigen Schlüsse zu ziehen und auf einen Linkskurs zu setzen. „Neuwahlen werden nur dann die Chance auf neue Mehrheiten bringen, wenn die großkoalitionären Verlierer der letzten Wahl sich personell und inhaltlich neu aufstellen.“
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