Ab 9. Februar 2019 müssen alle Rx-Arzneimittel einen Code tragen, mit dem sich ihre Herkunft eindeutig feststellen lässt. Viele Details sind bereits in der EU-Fälschungsrichtlinie beziehungsweise in der delegierten Verordnung geregelt, doch es gibt auch Bereiche, die national geregelt werden müssen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem auch die Meldepflichten für Apotheken verschärft werden. Außerdem sollen die Lieferscheine des Großhandels künftig auch elektronisch übermittelt werden können.
Geändert werden sollen mit der Novelle die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV) sowie die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV). Die meisten Anpassungen sind technischer Natur, doch für die Apotheken hält der Referentenentwurf eine erweiterte Prüfpflicht bereit.
So sollen die Apotheken verpflichtet werden, bereits beim Verdacht von Arzneimittelfälschungen unverzüglich die zuständige Behörde zu informieren. Eine entsprechende Erweiterung von §21 ApBetrO ist in der Novelle vorgesehen. Laut BMG soll damit „sichergestellt werden, dass keine gefälschten Arzneimittel in die Vertriebskette eindringen“.
Bislang gilt diese Pflicht nur, wenn Arzneimittelfälschungen tatsächlich aufgetreten sind. Die betroffenen Packungen sind „bis zur Entscheidung über das weitere Vorgehen getrennt von verkehrsfähigen Arzneimitteln und gesichert aufzubewahren, um Verwechslungen zu vermeiden und einen unbefugten Zugriff zu verhindern“. Sie müssen „eindeutig als nicht zum Verkauf bestimmte Arzneimittel gekennzeichnet werden“. Alle getroffenen Maßnahmen sind zu dokumentieren.
Eine entsprechende Verschärfung ist in §5 AM-HandelsV vorgesehen. Damit wird auch der Großhandel verpflichtet, Verdachtsfälle unverzüglich an die Behörde sowie zusätzlich an den jeweiligen Zulassungsinhaber zu melden. Laut Begründung stellt diese Vorschrift allerdings auch noch einmal die Anforderungen an den Apothekenleiter klar. Außerdem wird der Großhandel in §6 AM-HandelsV verpflichtet, die Sicherheitsmerkmale auf den Arzneimittelpackungen zu überprüfen und zu deaktivieren, wenn er die Ware nicht an Apotheken abgibt. Denn unter bestimmten Voraussetzungen, die in §47 Arzneimittelgesetz (AMG) definiert sind, dürfen Großhändler und Hersteller auch Ärzte, Tierärzte, Zahnärzte sowie Bundeswehr, Polizei, andere Regierungseinrichtungen sowie Universitäten und Hochschulen beliefern.
Bei der Auslieferung von Arzneimitteln durch den Großhandel können die geforderten Unterlagen künftig auch in elektronischer Form an den Empfänger übermittelt werden. Dies soll laut BMG die elektronische Kommunikation erleichtern. „In diesem Fall ist sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente für die jeweiligen Empfänger jederzeit leicht zugänglich sind und dass sie in hinreichender Weise vor unbefugten Manipulationen geschützt sind“, heißt es weiter.
Laut §6 AM-HandelsV sind den Lieferungen an die Apotheken „ausreichende Unterlagen beizufügen, aus denen insbesondere das Datum der Auslieferung, die Bezeichnung und Menge des Arzneimittels sowie Name und Anschrift des Lieferanten und des Empfängers hervorgehen“.
In Deutschland wird die Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie von Securpharm organisiert, einem Zusammenschluss von ABDA, Phagro und den Herstellerverbänden BAH, BPI und VFA. Während im vergangenen Jahr der Apothekenserver eingerichtet wurde, steht nun die Anbindung aller Apotheken an das System an. Die ABDA ist auch für Großhandel und Kliniken zuständig, aufgehängt ist das Projekt bei der Avoxa-Tochter MGDA. Kammern und Verbände sollen vor Ort als Ansprechpartner den Kollegen zur Seite stehen. Am Modellprojekt nehmen nur rund 400 Apotheken teil.
Ziel der Fälschungsrichtlinie ist es, dass jede Packung beim Verlassen der Produktion einen individuellen Code erhält und somit identifizierbar wird. Dieser sogenannte „Unique Identifier“ enthält verschiedene Informationen: Produktcode, Seriennummer, gegebenenfalls eine nationale Kennzeichnung, die Chargennummer und das Haltbarkeitsdatum. Im Produktcode sollen der Name des Präparats, die Darreichungsform, die Wirkstärke, die Packungsgröße und die Verpackungsart verschlüsselt sein. Die Seriennummer soll eine maximal 20-stellige Folge aus Zahlen und/oder Buchstaben sein, die zufällig erstellt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nummer abgeleitet werden kann, soll vernachlässigbar gering sein und bei weniger als einem Fall von 10.000 liegen.
Der „Unique Identifier“ wird in einem Data-Matrix-Code auf der Packung verschlüsselt und in nationalen Datenbanken sowie zentral bei einem europäischen Hub hinterlegt. Die Hersteller müssen sicherstellen, dass der spezifische Code, der sich aus Produktcode und Seriennummer ergibt, einmalig bleibt – und zwar für mindestens fünf Jahre oder bis zu einem Jahr nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums. Entscheidend ist dabei das spätere Datum.
Die Hersteller aktivieren die Codes, bevor sie die Packungen auf den Markt bringen, und melden sie entweder an den europäischen Hub oder nationale oder supranationale Datenbanken. In Deutschland wird diese Datenbank von dem Unternehmen ACS PharmaProtect organisiert, das von BAH, BPI und VFA betrieben wird. Mit der Umsetzung ist der Dienstleister Arvato betraut.
Der Code kann jederzeit eingescannt werden. Auf diese Weise können Großhändler und Apotheker schon beim Wareneingang prüfen, ob die Packungen sicher sind. „Dies hat für Apotheker verschiedene Vorteile, etwa die regelhafte Übernahme von Charge und Verfalldatum in das Warenwirtschaftssystem sowie die klare Zuordnung nicht abgabefähiger Arzneimittel zum jeweiligen Lieferanten“, heißt es bei Securpharm. Großhändler sollen im Rahmen eines sicherheitsbasierten Ansatzes alle Packungen kontrollieren, die von Apotheken retourniert oder von anderen Großhändlern geliefert werden.
Wird ein Arzneimittel an einen Patienten abgegeben, wird der Code eingescannt und die Packung aus dem System abgemeldet. In öffentlichen Apotheken geschieht dies am HV-Tisch. Der Abgleich mit den Datenbanken soll in der Regel innerhalb von 300 Millisekunden erfolgen, so die Vorgabe der EU-Kommission. Es müsse den Apothekern möglich sein, ihre Tätigkeit ohne wesentliche Zeitverzögerungen auszuführen, so Securpharm.
Ist die Nummer in der Datenbank nicht verfügbar oder wurde sie als zurückgerufen oder gestohlen gemeldet, erhält der Apotheker einen entsprechenden Hinweis und gibt diese Information an die zuständigen Behörden weiter. In Deutschland melden die Apotheken die Abgabe nicht direkt an die nationale Datenbank der Hersteller, sondern an die Avoxa-Datenbank. So soll sichergestellt werden, dass die Hersteller nicht erfahren, welche Apotheke wann welches Präparat abgegeben hat.
In Krankenhausapotheken können die Arzneimittel zu jedem Zeitpunkt abgemeldet werden – also entweder direkt nach Wareneingang oder kurz vor der Abgabe an den Patienten. Die Mitgliedstaaten können außerdem Ausnahmen für Tierärzte, Zahnärzte, Optiker, Rettungssanitäter, Universitäten, Gefängnisse, Schulen, Hospize oder Pflegeheime festlegen, die direkt vom Großhändler beliefert werden. In diesem Fall würden die Lieferanten die Packungen aus dem System abmelden.
Die EU-Verordnung sieht auch einen Plan B vor, falls der automatische Check nicht funktioniert: Apotheken sollen den „Unique Identifier“ in diesem Fall erfassen und später mit der Datenbank abgleichen. Und falls es nur an der Apothekensoftware und nicht am Internet scheitert, sollen Apotheken die Codes auch direkt bei der nationalen Datenbank austragen können.
Die neuen Vorgaben gelten für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, mit Ausnahme der auf der „White List“ aufgeführten: Das sind derzeit 14 Produktkategorien, darunter etwa Homöopathika, Allergenextrakte, Kontrastmittel und Lösungen für die parenterale Ernährung. OTC-Arzneimittel dürfen die festgelegten Sicherheitsmerkmale nicht tragen. Davon ausgenommen sind Präparate, die auf der „Black List“ stehen und einen Code tragen müssen. Bislang wird dort lediglich Omeprazol aufgeführt – wegen des Fälschungsskandals im Jahr 2013.
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