Fälschungsrichtlinie

Wirkstoffe: EU will Belege sehen

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Berlin -

Bei der Herstellung von Arzneimitteln sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Da ein Großteil der Produktion heute im Ausland stattfindet, sind die hiesigen Behörden viel unterwegs. Die EU will nun jedoch noch einen Schritt weiter gehen: Auch Wirkstoffe, die in die EU importiert werden, sollen künftig kontrolliert werden. Diese Aufgabe sollen jedoch stellvertretend die Behörden in den Drittländern übernehmen.

Für Arzneimittelhersteller könnte diese neue Forderung mit massiven Problemen einhergehen: Ab Juli dürfen nur noch Wirkstoffe zur Weiterverarbeitung in die EU eingeführt werden, die nach Standards der guten Herstellungspraxis produziert wurden, die denen in Europa mindestens gleichwertig sind. Doch nicht alle Länder sind auf die Regelung vorbereitet. Das könnte Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln und Engpässen in den Apotheken führen.

Bereits seit Januar müssen nach der neuen EU-Fälschungsrichtlinie alle importierten Wirkstoffe mindestens der in der EU vorgeschriebenen Good Manufacturing Practice (GMP) entsprechen. Ab Juli dürfen nur noch Wirkstoffe für Humanarzneimittel importiert werden, denen eine schriftliche Bestätigung der Drittländer beiliegt.

Mit dem Zertifikat sollen die Behörden der Drittstaaten bestätigen, dass die geltenden GMP-Standards denen in der EU „zumindest gleichwertig“ sind, dass der Betrieb „regelmäßigen strengen und transparenten Kontrollen“ unterliegt, zu denen auch wiederholte und unangekündigte Inspektionen gehören, und dass bekannt gewordene Verstöße „unverzüglich an die Union weitergeleitet werden“.

Problematisch ist, dass die Behörden in den Drittländern ein Dokument ausstellen müssen, das auf der Gesetzgebung der EU basiert. Rund 1600 Hersteller in der EU importieren Wirkstoffe aus Drittländern. Dies zeigte eine Umfrage der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). 80 Prozent davon kommen aus Indien, China, Japan und den USA. In diesen Ländern besitzen etwa 300 Herstellbetriebe kein EU-GMP-Zertifikat.

Statt Bestätigungen für einzelne Hersteller und Wirkstoffe auszustellen, können sich Drittstaaten auf eine Liste setzen lassen: Auf dieser werden die Länder geführt, deren nationale Regelungen denen der EU entsprechen. Bisher hat es lediglich die Schweiz auf diese Liste geschafft. Australien, Japan und die USA haben entsprechende Anträge gestellt. Die Äquivalenzprüfung könne jedoch mehrere Monate dauern, heißt es bei der EU-Kommission. Japan hat den entsprechenden Antrag im Dezember eingereicht, die USA sogar erst im Januar.

Die beiden wichtigsten Lieferanten, China und Indien, haben bislang nicht beantragt, in die Liste aufgenommen zu werden. Dem Vernehmen nach haben jedoch beide Länder erklärt, grundsätzlich bereit zu sein, das Zertifikat auszustellen. Damit ist das Problem allerdings nicht gelöst: Indien sei zum Teil organisatorisch gar nicht in der Lage, die Bestätigungen auszustellen, befürchten Branchenkenner. In China wird zwischen Wirkstoffherstellern und Chemikalienherstellern unterschieden – letztere unterliegen nicht der GMP-Überwachung und können keine Bestätigung erhalten.

Andere Länder sind hingegen gar nicht bereit, die notwendigen Zertifikate auszustellen: Einige Staaten etwa wollen das Dokument offenbar aus prinzipiellen Erwägungen nicht ausstellen. Außerdem sei lange unklar gewesen, welche Behörde in den Staaten die Bestätigung ausstellen solle. Die EU-Kommission erklärt dazu lediglich, dass die Entscheidung, ob die Zertifikate auf zentraler, regionaler oder lokaler Ebene ausgestellt werden, bei den Ländern selbst liegt.

Ob am 2. Juli tatsächlich alles reibungslos läuft, oder ob viele Wirkstoffe nicht mehr importiert werden könne, sei schwer bis gar nicht zu sagen, so die einhellige Meinung in der Branche. Es würden jedoch zahlreich Gespräche zwischen den Herstellern, den Ländern und der EU geführt.

Die Vorgabe, zu jedem Import eine Bestätigung zu liefern, sieht man in der Branche kritisch: „Die EU-Kommission hat unterschätzt, was es für die Länder bedeutet, die Anforderungen zu erfüllen, die sich die EU ausgedacht hat“, sagt Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbands Pro Generika. Er fordert, dass die Politik Druck auf die Drittstaaten ausübt, damit sich diese auf die Liste setzen lassen oder ihre Hersteller zertifizieren: „Die Industrie braucht dringend Planungssicherheit für die Produktionsabläufe.“

Andere Branchenvertreter wollten sich hingegen nicht öffentlich zu den EU-Vorgaben für Wirkstoffimporte äußern: „Wir hätten uns einen pragmatischeren Ansatz gewünscht, der auch die Situation der Hersteller berücksichtigt“, heißt es etwa. Deutschland sei eines der ersten Länder gewesen, das die Fälschungsrichtlinie ratifiziert habe. In anderen EU-Staaten würden die Vorgaben hingegen nur zögerlich oder gar nicht umgesetzt, kritisiert ein Branchenkenner. Daraus ergebe sich ein Nachteil für den Pharmastandort Deutschland.

Den Arzneimittelherstellern wird derzeit empfohlen, sich mit Wirkstoffen aus kritischen Herkunftsländern zu bevorraten. Außerdem sollte in China – wo möglich – auf Wirkstoffhersteller ausgewichen werden, die bereits der GMP-Überwachung unterliegen, da die Behörden für diese Zertifikate ausstellen können.

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