Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Jörg Wieczorek, hat die Apotheker nachdrücklich davor gewarnt, aus ihrer Offizin einen Supermarkt zu machen. Sorgen bereite ihm der Umgang vieler Apotheken mit OTC-Produkten. Diese würden in „Schüttenschlachten” verramscht. Shoppingerlebnisse sollte man den Supermärkten überlassen, forderte Wieczorek die Apotheker zur Zurückhaltung auf. Der Heilberuf stehe über dem Kaufmann.
Zunächst spendete Wieczorek in seinem Grußwort zur Eröffnung des Expopharm den Apothekern Lob: „Sie haben haben über die Jahre einen tollen Job gemacht.“ Die Anhebung der Apothekenhonorare sei daher nur folgerichtig und werde vom BAH als einzigem Pharmaverband begrüßt und unterstützt, „ausdrücklich und ohne jede Einschränkung”.
Sorgen mache er sich allerdings um den Umgang mit OTC-Arzneimitteln in den Apotheken. Viele Apotheker dächten nach seinem Eindruck heilberuflich, aber handelten kaufmännisch. Wieczorek kritisierte die „immer öfter und immer intensiver durchgeführten Preisaktionen und Schüttenschlachten” in den Offizinen, die mehr und mehr Drogerien ähnelten. „Oft ist schon nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar, wo die Freiwahl aufhört und die Sichtwahl anfängt”.
Was in den Apotheken gar nicht gebraucht werde, sei „digitaler Bilderwald bis hin zur Sichtwahl”. „Die optimale verkaufsfördernde Aufbereitung und Positionierung von Produkten sollte nicht im Fokus Ihres Interesses stehen. Shopping-Erlebnisse sollte man den Kunden von Supermärkten oder Kaufhäusern überlassen”, forderte der BAH-Vorsitzende die Apotheken zur Zurückhaltung auf.
Im Fokus stehen sollte der Patient und sein Anspruch auf eine qualitativ hochwertige, fachlich kompetente Beratung und Orientierung. Darin liege die Kernkompetenz der Apotheker. „Das ist Ihr Alleinstellungsmerkmal, mit diesem Pfund sollten Sie wuchern”. Auch die Industrie habe dies erkannt und biete immer mehr und bessere Schulungen für Apothekenteams an, um Sie in Ihrer Beratung mit dem Patienten zu stärken.
Die Fokussierung auf ihre Beratungskompetenz sollte Apothekern eigentlich ganz leicht fallen, findet der BAH-Chef. Denn die Patienten forderten ihr fachliches Wissen geradezu immer wieder ein. Das Ansehen von Apotheken in der Bevölkerung ist mit das höchste von allen Gesundheitsberufen.
Nach einer BAH-Umfrage nutze fast jeder Vierte bei leichten Beschwerden die Apotheke als erste Anlaufstelle, um sich beraten zu lassen beziehungsweise um ein Medikament zu kaufen. Und grundsätzlich komme für etwa zwei Drittel der Deutschen die Apotheke vor Ort als alternative Anlaufstelle zum Arzt in Frage. Wieczorek: „Das ist für Sie die Chance, mit Patienten gezielt ins Beratungsgespräch zu kommen. Also sollten Sie als Apotheker nicht heilberuflich denken und kaufmännisch handeln, sondern es genau umgekehrt machen: Denken Sie kaufmännisch und handeln Sie heilberuflich!”
In seinem Grußwort kritisierte der Vorstandsvorsitzende von Pro Generika, Wolfgang Späth, das vorgelegte Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG). Die Absicht sei zu loben, allerdings sei es „ein Rätsel“, wie man mit einer Verlängerung des Preismoratoriums bis ins Jahr 2022 die Versorgung stärken wolle. Die Branche bewege sich auf dem Preisniveau von 2009. Seitdem seien die Preise trotz steigender Lohnkosten, steigender Aufwendungen für regulatorische Auflagen und vieles andere mehr eingefroren.
Jedoch enthält der Entwurf laut Späth auch positive Ansätze wie die Vorgabe einer 6-Monatsfrist zwischen Zuschlägen bei Rabattverträgen und Inkrafttreten. Das sei mehr als ein Detail vor allem mit Blick auf die Problematik der Lieferengpässe. Späth: Es sei tatsächlich das erste Mal, dass in der gesamten Debatte über Engpässe an deren Ursachen angesetzt wird. Bislang drehten sich die meisten Forderungen vor allem um die Informationen über Engpässe und weitere Meldepflichten. Informationen über versorgungsrelevante Engpässe müssten den Akteuren verfügbar sein. Aber Ziel müsse es doch sein, Engpässe erst gar nicht entstehen zu lassen.
Zwar verfügten die Generikaunternehmen in Deutschland enorme Produktions- und Lagerkapazitäten. „Aber am Ende entscheidet nur ein Rabattvertrag darüber, ob diese Kapazitäten auch für die Versorgung in Deutschland genutzt werden. Mehr Anbieter an der Versorgung zu beteiligen, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Versorgungssicherheit“, so Späth. Er hoffe daher, dass die Politik diesen Punkt der Mehrfachvergabe noch entsprechend in das Gesetz aufzunehmen werde. „Lassen Sie uns auf jeden Fall gemeinsam mit Nachdruck dafür werben“, so Späth.
Der Vorsitzende der Großhandelsverbandes Phagro, Dr. Thomas Trümper, bedauerte, dass weder Großhändler noch Apotheker beim Thema Lieferengpässe im von der Bundesregierung organisierten Pharmadialog gehört worden seien. „Ich finde es schade und wenig zielführend, über Lieferengpässe zu sprechen, ohne alle Beteiligte an den Tisch zu rufen.“ Nichtlieferfähigkeit sei kein „triviales“ Problem, „alle müssen an einen Tisch“, forderte Trümper.
Die Ursachen für die Lieferengpässe seien allen bekannt. Aber keiner traue sich, den Knoten zu durchschlagen, sagte Trümper. Der Phagro-Vorsitzende sieht die Ursache im Widerspruch des freien EU-Handels und den national abgeschotteten Arzneimittelmärkten. „Das ist unvereinbar“, so Trümper und führe in einer freien Wirtschaft aufgrund der Preisdifferenzen zu Arzneimittel Ex- und Importen mit den bekannten Problemen.
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