Becker: Retax-Geschäft ist zu lukrativ Alexander Müller, 30.09.2015 11:16 Uhr
Das Honorar der Apotheker stagniert, in wichtigen Gesetzesvorhaben bleiben sie unberücksichtigt und beim Thema Null-Retaxation sind sie noch keinen Schritt weiter: Der Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, hatte bei seinem Lagebericht zur Eröffnung der Expopharm wenig Positives zu berichten. Trotzdem zeigte sich Becker zuversichtlich, dass die Standesvertretung noch Erfolge für die Apotheker verbuchen wird.
Ein besonderes Retax-Feld sprach Becker in seiner Rede in Düsseldorf an: „Uns bewegt in diesen Tagen alle das Thema Flüchtlinge und die damit verbundenen Versorgungsprobleme.“ Die Apotheker würden dabei unbürokratisch helfen und die Arzneimittelversorgung sicherstellen. Wichtig seien dabei aber klare und sichere Regeln der Kostenübernahme. „Wenn Kostenträger hier mit Null-Retaxationen spielen, ist das zynisch“, so der DAV-Chef.
Becker kritisierte, dass es beim Thema Null-Retaxation noch immer keine Einigung mit den Krankenkassen gibt. Leider sei es dem GKV-Spitzenverband nicht möglich gewesen, alle seine Mitglieder zu zügeln. „Zu lukrativ scheint das Retaxgeschäft für einzelne Krankenkassen zu sein, als das man bereit wäre, diese Zechprellerei zu beenden“. Dies sei besonders ärgerlich, da man vor zwei Jahren bereits kurz vor einer Einigung mit den Kassen gestanden habe.
Jetzt hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) eine Regelung von der Selbstverwaltung gefordert. Die Verhandlungen wurden von beiden Seiten als gescheitert erklärt. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat daher wie angekündigt inzwischen die Schiedsstelle unter der Leitung von Dr. Rainer Hess angerufen. Die Apotheker haben damit den ersten Aufschlag, die Kassen werden dann von Hess zur Stellungnahme aufgefordert. „Wir erwarten nun eine praktikable und praxisbezogene Lösung dieser unsäglichen Geschichte“, so Becker.
Retaxationen seien oft Folge einer Bürokratisierung der Versorgung, so Becker. Beispielhaft nannte er die Vorschriften beim Parallel- und Reimport. Die Apotheker fordern eine Abschaffung der Quote, zumal diese als Sparinstrument gegenüber den Rabattverträgen bedeutungslos geworden sei. Dies bedeute kein Verbot von Importarzneimitteln, sondern „wäre nur das Ende wirtschaftsprotektionistischer Maßnahmen mit einer normierten Absatzgarantie für Importeure“, so der DAV-Chef.
Neue Regeln wünschen sich die Apotheker auch im Hilfsmittelmarkt. Ausschreibungen und die bürokratischen Hürden der Präqualifizierung in diesem Bereich gefährdeten die flächendeckende Versorgung, monierte Becker. Hier sei mehr Flexibilität nötig.
Unverständnis zeigte Becker, dass die Apotheker im E-Health-Gesetz keine Beachtung finden und nur Ärzte den Medikationsplan ausstellen sollen. „Mit Verlaub: Kein Arzt weiß verlässlich, welche rezeptfreien Arzneimittel die Patienten zusätzlich einnehmen“, so Becker. Die ABDA hatte dazu bereits gestern eine Studie vorgestellt. Die Apotheker schlagen vor, dass der Patient selbst entscheiden soll, wer den Plan ausstellt.
Der Bundesrat hatte gefordert, die Apotheker doch noch im E-Health-Gesetz einzubinden, die Bundesregierung hatte dies aber abgelehnt. Noch sei man zuversichtlich, dass der Bundestag diese „Fehleinschätzung der Bundesregierung“ im parlamentarischen Verfahren korrigiert, sagte Becker. Insgesamt sei der Medikationsplan ohnehin nur der erste Schritt zu einem umfassenden Medikationsmanagement. Dies erfordere natürlich eine angemessene Honorierung der Apotheker.
Auch im Präventionsgesetz hat die Regierung auf eine Beteiligung der Apotheker verzichtet. Ein Fehler, findet Becker. Mit einem Impfpass-Check könnte die Apotheken Impflücken entdecken. Gerade angesichts der jüngsten Masern-Epidemie sei unverständlich, warum die Politik diese Möglichkeit nicht nutze, so der DAV-Chef.
Zur Honorarfrage stellte Becker zunächst fest, dass man die Festschreibung des Kassenabschlags auf 1,77 Euro ausdrücklich begrüße. „Die jährlich wiederkehrenden Zwistigkeiten mit dem GKV-Spitzenverband über die Höhe des Abschlags, immer wieder von den Apotheken vorzunehmende Rückstellungen und die damit verbundenen Unwägbarkeiten haben nun ein Ende gefunden“, so Becker. Das schaffe Planungssicherheit und sei ein wichtiger Teilerfolg in der Vergütungsdebatte.
Eigentlich wollten die Apotheker parallel eine regelmäßige Überprüfung ihres Honorars gesetzlich verankert haben. Das ist mit dem GKV-VSG allerdings nicht erfolgt. Dieser zweite Schritt müsse nun folgen, und das Honorar bei Bedarf angepasst werden, forderte Becker. „Dieser Schritt ist überfällig, und es ist inakzeptabel, dass die Politik ihn bisher nicht gegangen ist“, so der DAV-Chef. Bundeswirtschafts- und Bundesgesundheitsministerium würden sich den „Schwarzen Peter“ hin und her schieben.
Regelmäßige Honoraranpassungen seien bei anderen Leistungserbringern eine Selbstverständlichkeit. Schließlich forderten und verdienten auch die Mitarbeiter regelmäßige Gehaltserhöhungen. Becker hat die Hoffnung auf einen Automatismus bei der Honoraranpassung noch nicht aufgegeben – „und zwar auf Basis eines fairen Berechnungsmodus“. Ein Mehr an Leistung müsse „honoriert statt sanktioniert” werden. Der alte Modus sei leistungsfeindlich und „rechtlich mehr als bedenklich“, monierte Becker.
Der Vorwurf, die Apotheker würden keine ausreichenden Daten liefern, sei schlicht falsch. „Wer meint, bessere Zahlen zu haben, soll sie auf den Tisch legen. Auf diese Diskussion freue ich mich”, so Becker. Den Apothekern werde mit dieser Taktik nur jegliche Planungssicherheit vorenthalten.
Becker erneuerte auch seine Forderung nach einer besseren Honorierung für die Herstellung von Rezepturen. Der Aufwand sei mit Sicherheit nicht kleiner als bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln. Als unerträglich empfindet Becker auch die in der Arzneimittelpreisverordnung zugestandenen 26 Cent für die Dokumentation von Betäubungsmitteln (BtM). Ferner müsse die Inkassoleistung der Apotheker beim Herstellerabschlag berücksichtigt werden.
Einen Nachschlag fordert Becker bei der Vergütung für den Nacht- und Notdienst. Der Zuschlag müsse von derzeit 16 auf 20 Cent angehoben werden. Den Apothekern seien von der Politik 120 Millionen Euro als Zuschuss zugesagt worden. Dies sei weder in diesem noch im vergangenen Jahr erreicht worden, schon gar nicht im Startjahr 2013, weil der Nacht- und Notdienstfonds erst im August angelaufen war.
Mit dem GKV-VSG wurde zudem eine Neuregelung für das Entlassrezept geschaffen. Es Verbessere die Versorgung, dass die Patienten jetzt nicht mehr nach ihrer Entlassung zunächst einen niedergelassenen Arzt aufsuchen müssten, so Becker. Er kritisierte aber, dass die Rezepte nur drei Tage gültig seien. „Praktikabler wäre eine Gültigkeit von einer Woche wie es auch bei Betäubungsmittelrezepten der Fall ist“, so Becker.
Lächerlich sei aber eine Forderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), wonach Änderungen auf dem Folgerezept vom Arzt in der Klinik gegengezeichnet werden müssten. „Wie praxisfern denkt man denn im G-BA?“, fragt sich Becker. Niemand werde kilometerweit zurück in die Klinik fahren, damit irgendetwas erneut unterschrieben wird.